I. Typischer Sachverhalt
Rz. 25
In dem unter Rdn 20 geschilderten Beispielsfall hat sich das deutsche Unternehmen zur Klageerhebung gegen die italienische Gesellschaft am deutschen Gerichtsstand des Erfüllungsorts entschlossen. Die auf Seiten der italienischen Gesellschaft vorprozessual eingeschalteten deutschen Anwälte haben in ihrem letzten Schreiben erklärt, dass sie im Falle einer Klageerhebung nicht zustellungsbevollmächtigt seien.
II. Rechtliche Grundlagen
Rz. 26
Die grenzüberschreitende Zustellung von Schriftstücken ist die praktisch wichtigste Form der internationalen Rechtshilfe. § 183 Abs. 1 ZPO stellt sicher, dass die deutschen Gerichte die entsprechenden staatsvertraglichen Verpflichtungen Deutschlands einhalten. Nur wenn eine Zustellung auf dem völkervertraglichen Rechtshilfeweg nicht möglich ist, kann die zuständige diplomatische Vertretung im Ausland die Zustellung vornehmen (§ 183 Abs. 2 ZPO). Innerhalb der EU hat die EuZVO Vorrang (183 Abs. 5 ZPO); ihre Regelungen werden durch die §§ 1067–1069 ZPO ergänzt. Die EuZVO ersetzt in ihrem Anwendungsbereich das Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen (HZÜ), dem gegenüber Drittstaaten weiterhin eine große praktische Bedeutung zukommt. Auch für das Verständnis der EuZVO ist die Kenntnis des HZÜ unerlässlich, da die EuZVO inhaltlich auf dem Regelungsregime des HZÜ aufbaut. Daneben hat Deutschland eine Vielzahl bilateraler Rechtshilfeabkommen mit Regelungen zu Auslandszustellungen abgeschlossen.
Rz. 27
Die EuZVO legt grundsätzlich drei praxisrelevante Übermittlungs- und Zustellungsformen für Schriftstücke fest: die Zustellung im direkten Rechtshilfeverkehr zwischen den dezentralen Übermittlungs- und Empfangsstellen (Art. 2, 4 ff. EuZVO i.V.m. § 1069 ZPO) sowie die direkten Zustellungswege per Post, insbesondere durch Einschreiben mit Rückschein (Art. 14 EuZVO i.V.m. § 1068 ZPO) und im Parteibetrieb (Art. 15 EuZVO). Nach Art. 4 ff. EuZVO sind Zustellungen auch ohne Übersetzung zulässig, allerdings kann der Adressat nach Art. 8 EuZVO die Annahme verweigern. In der Verordnung sind sieben Formblätter vorgesehen, die auf der Webseite des Europäischen Justizportals abgerufen werden können.
Zustellungen ins Ausland durch fiktive Inlandszustellungen nach dem Modell der französischen "remise au parquet" sind im Anwendungsbereich der EuZVO nicht zulässig. Damit sollen nach h.M. fiktive Inlandszustellungen generell unzulässig sein. Die Regelung des § 184 Abs. 1 ZPO, dass bei fehlender Bestellung eines Prozessbevollmächtigten ein inländischer Zustellungsbevollmächtigter zu benennen ist, andernfalls spätere Zustellungen durch Aufgabe zur Post bewirkt werden können, wird damit von den vorrangigen Bestimmungen der EuZVO verdrängt.
Rz. 28
Die Zustellungen nach dem HZÜ werden demgegenüber von den sog. Zentralen Behörden (Art. 2 HZÜ) vorgenommen. Möglich sind förmliche Zustellungen nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ, formlose Zustellungen durch einfache Übergabe des Schriftstücks an einen annahmebereiten Empfänger nach Art. 5 Abs. 2 HZÜ sowie besondere, vom ersuchenden Staat gewünschte Zustellungsformen nach Art. 5 Abs. 1 lit. b HZÜ. Über die Zustellung im Ausland wird ein Zustellungszeugnis nach Art. 6 HZÜ ausgestellt.
Auch im internationalen Zivilverfahren erfolgt die Zustellung von Schriftsätzen, namentlich der Klageschrift, im Amtsbetrieb. Es empfiehlt sich jedoch aus Zeitgründen ein Antrag auf Zustellung im Amtsbetrieb, dem die Übersetzung mindestens des zuzustellenden Schriftsatzes beizufügen sind. Denn das zuzustellende Schriftstück muss zum Zwecke der Zustellung außerhalb der EU in jedem Fall übersetzt werden (Art. 5 Abs. 3 HZÜ). Auch bei Zustellungen nach der EuZVO sind Übersetzungen in der Regel sinnvoll, um Verzögerungen aufgrund einer Annahmeverweigerung nach Art. 8 EuZVO zu vermeiden. Ein Antrag auf Zustellung ist erforderlich, wenn die Zustellung im Parteibetrieb erfolgt, wie insbesondere bei Arrestbefehlen und einstweiligen Verfügungen.