Rz. 14
Es ist streitig, ob der Erblasser mittels einer einseitigen Schiedsanordnung auch Pflichtteilsstreitigkeiten einem Schiedsgericht zuweisen kann. Dass Pflichtteilsberechtigter einerseits und Erbe/n andererseits sich auf ein Schiedsverfahren einigen können, ist von dieser Problematik nicht betroffen.
a) Einseitige Schiedsanordnung für Pflichtteilsansprüche
Rz. 15
Nach h.M. sind auch Pflichtteilsansprüche der Schiedsgerichtsbarkeit durch testamentarische Anordnung gem. § 1066 ZPO entzogen, sofern nicht der Pflichtteilsberechtigte sich dem Schiedsgericht unterwirft (so auch der BGH).
Da der Erblasser den Pflichtteil außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten nicht entziehen oder beschränken könne, könne eine Streitigkeit über Bestand und Höhe des Pflichtteilsanspruchs nur mit Zustimmung des den Pflichtteil Begehrenden vor ein Schiedsgericht gebracht werden. Grundsätzlich gilt: Dem Schiedsgericht können nur diejenigen Rechtsbeziehungen unterworfen werden, die der Entscheidungskompetenz des Erblassers selbst unterliegen bzw. über die er frei bestimmen kann. Etwas anderes gilt freilich, wenn Nachlassgläubiger – zu denen auch die Pflichtteilsberechtigten gehören – nach dem Erbfall eine Schiedsvereinbarung mit den Erben schließen.
b) Vereinbarung des Schiedsverfahrens für Pflichtteilsstreitigkeiten
aa) Allgemeines
Rz. 16
Bezüglich der Zulässigkeit einer Schiedsanordnung durch den Erblasser für Pflichtteilsstreitigkeiten vertritt jedoch eine zunehmende Meinung die Ansicht, mit einer letztwilligen Verfügung könne der Erblasser auch Pflichtteilsstreitigkeiten einem Schiedsgericht unterstellen, weil § 1066 ZPO insofern keine Einschränkung enthalte. Der Umstand, dass der Erblasser über den Pflichtteilsanspruch nicht disponieren könne, stehe der Einsetzung eines Schiedsgerichts auch mit Wirkung für den Pflichtteilsberechtigten nicht entgegen. Hier handle es sich nicht um materiellrechtliche Fragen, sondern um reine Verfahrensfragen, die auch nicht dem Auflagenrecht zuzurechnen seien.
bb) Rechtsnatur der Schiedsklausel
Rz. 17
Die Bestimmung der Rechtsnatur der Schiedsklausel bereitet erhebliche Schwierigkeiten, weil das Gesetz dazu schweigt. Das Reichsgericht hat diese Frage in seiner Entscheidung offen gelassen und lediglich die Zulässigkeit einer solchen Schiedsklausel bejaht. Nach Ansicht Kohlers handelt es sich bei einer Schiedsklausel um eine Auflage, wenn der Erblasser dem Schiedsgericht die ausschließliche Zuständigkeit einräumt. Walter geht dagegen davon aus, dass es sich um eine Verfügung "sonstigen Inhalts" handele, die nicht unter eines der in den §§ 1937–1941 BGB ausdrücklich erwähnten Rechtsinstitute zu subsumieren sei. Er begründet dies damit, dass die Anordnung einer letztwilligen Schiedsklausel, z.B. der Benennung eines Vormundes nach § 1777 Abs. 3 BGB oder einer Pflichtteilsentziehung nach §§ 2333 ff. BGB, vergleichbar näherstehe. Die Meinung, dass die Anordnung eines Schiedsgerichts in einem Testament keine Auflage sei, vertritt auch Schulze.
Rz. 18
Bedeutung erlangt das Problem der Rechtsnatur für die Frage, ob eine Schiedsklausel als wechselbezügliche Verfügung nach § 2270 Abs. 3 BGB oder mit erbvertraglich bindender Wirkung nach § 2278 Abs. 2 BGB angeordnet werden kann. Eine solche ist nur möglich, wenn die Schiedsklausel als Auflage gesehen wird. Andernfalls bliebe nur die Möglichkeit einer bedingten Erbeinsetzung.
Rz. 19
In der Tat dürfte es sich bei der letztwilligen Einsetzung eines Schiedsgerichts nicht um eine Auflagenanordnung handeln, sondern um eine Anordnung eigener Art, vergleichbar einer Vormundbenennung nach § 1777 BGB oder einer Verwaltungsanordnung nach § 1638 BGB. In letzterem Falle kann sich die Verwaltungsanordnung auch auf einen Pflichtteilsanspruch beziehen, ohne dass der Pflichtteilsberechtigte sich der Verwaltungsanordnung entziehen könnte.
Rz. 20
Mit der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts per 1.1.1998 ist die Schiedsgerichtsbarkeit aufgewertet worden. Man spricht von einer Gleichstellung mit der staatlichen Gerichtsbarkeit. Wenn aber Schiedsgerichtsbarkeit und staatliche Gerichtsbarkeit gleichwertig sind, kann nicht davon gesprochen werden, die Anordnung eines Schiedsgerichts sei eine Belastung für die Betroffenen, zumal jeder Schiedsspruch durch ein staatliches Gericht überprüft werden kann und auch eine Vollstreckung erst nach Einschaltung eines staatlichen Gerichts möglich ist, §§ 1059, 1060, 1062, 1065, 1041 Abs. 3 ZPO.
Rz. 21
Deshalb kann m.E. auch die Entscheidung des OLG Hamm, wonach die nachträgliche Anordnung eines Schiedsgerichts in einem einseitigen Testament nach vorausgegangenem Erbvertrag gegen § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB verstoße, seit der Geltung des am 1.1.1998 in Kraft getretenen Schiedsverfahren...