I. Formelle Zulässigkeit
Rz. 5
Der Erblasser kann nach § 1066 ZPO in Form einer letztwilligen Verfügung alle oder bestimmte Streitigkeiten, die ihren Grund (Inhalt und Auslegung der Verfügung von Todes wegen) in dem Erbfall haben, unter Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf ein Schiedsgericht übertragen, soweit der Streitgegenstand vergleichsfähig ist. Das Schiedsgericht kann im Rahmen seiner Bestellung entsprechend der dem Verfahren zugrunde gelegten Schiedsordnung und im Übrigen nach freiem Ermessen entscheiden. Die Grenze bilden der ordre public und die guten Sitten, §§ 1034, 1041 ZPO. Es wird lediglich ein wirksames Testament oder ein wirksamer Erbvertrag (in Letzterem in der Form einer einseitigen Anordnung nach § 2299 BGB) vorausgesetzt.
Rz. 6
Die Formulierung "für Streitigkeiten, die durch dieses Testament hervorgerufen sind und ihren Grund in dem Erbfall haben", ist eine hinreichend bestimmte Schiedsgerichtsanordnung. Will der Erblasser auf eine bestimmte Schiedsordnung Bezug nehmen und sie damit zum Inhalt der letztwilligen Verfügung machen, so empfiehlt es sich, eine solche Schiedsordnung notariell zu beurkunden, damit die Testamentsform gewahrt ist.
II. Materielle Zulässigkeit
1. Vom Erblasser eingesetztes Schiedsgericht
Rz. 7
Das vom Erblasser in der letztwilligen Verfügung eingesetzte Schiedsgericht hat diejenigen Aufgaben, die ihm vom Erblasser zugewiesen werden, soweit gesetzliche Grenzen nicht überschritten sind. Grundsätzlich können alle vermögensrechtlichen Ansprüche einem Schiedsgericht übertragen werden, § 1030 ZPO. Dies trifft vor allem auf erbrechtliche Ansprüche zu; sie können im Wege der Leistungs-, Feststellungs- oder Rechtsgestaltungsklage geltend gemacht werden. Es geht dabei um Rechtsanwendung und nicht um die Ersetzung des Erblasserwillens.
Rz. 8
Dem Schiedsgericht kann der Erblasser Entscheidungskompetenz über folgende Regelungsmaterien zuweisen:
▪ |
die Erbenfeststellung im Falle eines Streites unter Erbprätendenten, gleichgültig, ob es sich um gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge handelt; der Erblasser braucht keine Erbeinsetzung vorgenommen zu haben; es würde reichen, lediglich ein Schiedsgericht zur Feststellung der gesetzlichen Erbfolge einzusetzen, davon ausgenommen ist aber das Erbscheinsverfahren selbst und das sich daran anschließende Beschwerdeverfahren, |
▪ |
Feststellung des Eintritts oder des Ausfalls einer Bedingung, |
▪ |
die Erbauseinandersetzung, |
▪ |
Fragen der Ausgleichungspflicht unter Abkömmlingen nach §§ 2050 ff. BGB, |
▪ |
Feststellungsklage über Modalitäten der Erbteilung, um diese vorzubereiten und zur Vermeidung der Erbteilungsklage, |
▪ |
Streitigkeiten über ein Vorausvermächtnis oder eine Teilungsanordnung, |
▪ |
Streitigkeiten zwischen Erben und Vermächtnisnehmern, die ihren Grund in der Verfügung von Todes wegen haben, |
▪ |
Auslegung einer Verfügung von Todes wegen, |
▪ |
Wirksamkeit der Anfechtung einer letztwilligen Verfügung (streitig), |
▪ |
Streitigkeiten betr. die Erbunwürdigkeit, |
▪ |
Streitigkeiten zwischen Vorerben und Nacherben, |
▪ |
Streitigkeiten zwischen Erben, Vermächtnisnehmern und Testamentsvollstrecker, nicht aber über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers. |
Rz. 9
Für das Schiedsgericht gilt auch die Grenze des § 2065 BGB. Das Schiedsgericht kann also nicht an die Stelle des Erblassers treten und den Erben auswählen. Es hat vielmehr nur den Willen des Erblassers festzustellen. Insoweit darf ein Schiedsgericht auch nicht ein formungültiges Testament für gültig erklären. Das Schiedsgericht kann z.B. auch nicht den Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls bestimmen. Der ergehende Schiedsspruch wirkt – wie ein zivilgerichtliches Urteil – lediglich inter partes, § 1055 ZPO.
Die Schiedsgerichtsklausel ist nicht nur auf Rüge eines Beteiligten vom staatlichen Gericht zu beachten.
Rz. 10
Nicht der Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts unterliegen:
▪ |
Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere also
▪ |
Erbscheinsverfahren, |
▪ |
Verfahren betr. Erteilung oder Einziehung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses, |
▪ |
Verfahren betr. die Sicherung des Nachlasses, |
▪ |
Verfahren betr. die Bestellung eines Nachlasspflegers, |
▪ |
Verfahren betr. die Herbeiführung der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass durch Anordnung förmlicher Nachlassverfahren (Nachlassverwaltung, Nachlassinsolvenzverfahren – letzteres als besondere Form des Zwangsvollstreckungsrechts). |
▪ |
Betreuungsangelegenheiten (die vorgängig zu Nachlasssachen eine große Rolle spielen), |
|
▪ |
Ehesachen – zur Klärung erbrechtlicher Vorfragen, |
▪ |
Kindschaftssachen – ebenfalls zur Klärung erbrechtlicher Vorfragen, |
▪ |
die Frage der Zugehörigkeit von Gegenständen zum Nachlass, |
▪ |
Ansprüche von Nachlassgläubigern, weil Letztere den einseitigen Anordnungen des Erblassers nicht unterworfen werden können, |
▪ |
Fälle, in denen sich eine Entscheidung auf Dritte erstrecken soll, insbesondere alle Fälle der Streitverkündung (§§ 72 ff. ZPO... |