Rz. 68
Auch im schiedsrichterlichen Verfahren können einvernehmliche Regelungen getroffen werden. Einigen sich die Parteien während eines Schiedsgerichtsverfahrens, so haben sie die Möglichkeit, den Vergleich in der Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut festzulegen, § 1053 ZPO. Schiedsgerichtsordnungen von institutionalisierten Schiedsgerichten können durch entsprechende Kostenermäßigungen solche Einigungen begünstigen und fördern. Der Vergleich setzt wie § 779 BGB ein gegenseitiges Nachgeben voraus. Auch verfahrensfremde Gegenstände können mit einbezogen werden.
Rz. 69
Zum Testamentsauslegungsvertrag: Der BGH hat die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung auch über die Erbenstellung anerkannt, wenn die Auslegung eines Testaments streitig ist. Der Auslegungsvertrag – gerichtlich oder außergerichtlich geschlossen – hat zwar nur schuldrechtliche Wirkung (§§ 311 BGB, 2371, 2385 BGB), aber die Beteiligten haben sich so zu stellen, als entspräche ihre Einigung der wirklichen Rechtslage, selbst wenn diese sich nachträglich als unzutreffend herausstellen sollte. Um eine solche Einigung herbeizuführen, bedarf es der Mitwirkung aller, deren materielle Rechtsposition betroffen ist – vergleichbar dem Kreis der "materiell Beteiligten" im FG-Verfahren: Materiell Beteiligter ist jeder, dessen materielle Rechtsposition durch die begehrte (FG- oder Streit-)Entscheidung betroffen werden kann (vgl. §§ 7, 345 FamFG).
Rz. 70
Der Auslegungsvertrag fällt unter § 2385 BGB (sog. anderer Erbschaftsveräußerungsvertrag) und bedarf deshalb der notariellen Beurkundung (§§ 2033, 2371 BGB) oder des die notarielle Beurkundungsform ersetzenden gerichtlichen Vergleichs (§ 127a BGB). Die Einigung kann sich auf alle erbrechtlichen Positionen beziehen, wie Erbenstellung, Vermächtnisansprüche einschließlich deren Kürzung, Pflichtteilsrechte, Pflichtteilstragungslast u.Ä. Der Vergleich kann auch vor dem Schiedsgericht als Schiedsvergleich geschlossen werden. Dass auch der Schiedsvergleich die notarielle Beurkundung i.S.v. § 127a BGB ersetzt, ist h.M. Der Testamentsauslegungsvertrag in der Form des Erbschaftsvergleichs erlangt besondere Bedeutung bei der Anerkennung unwirksamer Testamente im Steuerrecht, insbesondere im Erbschaftsteuerrecht.
Die Möglichkeit, vor dem FG-Gericht einen Vergleich zu schließen, ist nunmehr ausdrücklich in § 36 FamFG geregelt, allerdings nur, soweit die Beteiligten über den Verfahrensgegenstand verfügen können.