I. Erbenfeststellung
Rz. 84
In streitigen Fällen zwischen Erbprätendenten kann auch der Weg über eine Feststellungsklage im Zivilprozess gegangen werden, § 256 Abs. 1 ZPO. Das Erbrecht nach einer bestimmten Person ist ein Rechtsverhältnis, das zu klären ist. Ein Feststellungsinteresse ist deshalb grundsätzlich zu bejahen, auch wenn ein Erbscheinsverfahren bereits betrieben wird oder sogar schon abgeschlossen ist. In der Praxis geht es dabei am häufigsten um die Problembereiche der Testierfreiheit, der Testierunfähigkeit, der Anfechtung oder der Sittenwidrigkeit einer Verfügung von Todes wegen, der Frage ihres wirksamen Widerrufs oder ihrer Auslegung, also materiellrechtliche Fragen, die grundsätzlich in die Kompetenz eines Schiedsgerichts fallen können.
Für eine Feststellungsklage besteht auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis, wenn ein Erbscheinsverfahren anhängig gemacht werden könnte, während eines laufenden Erbscheinsverfahrens oder wenn ein Erbschein bereits erteilt wurde. Das Schiedsverfahren über die Feststellung eines Erbrechts kann auch nicht wegen eines bereits anhängigen Erbscheinsverfahrens nach § 148 ZPO ausgesetzt werden. Bei letztwilliger Verfügung schiedsrichterlicher Entscheidung eines Erbprätendentenstreits ist ein Erbscheinsantrag unzulässig, solange das Schiedsgericht nicht entschieden hat.
Sollte einer positiven Feststellungsklage stattgegeben werden, so steht im Verhältnis der beiden Prozessparteien fest, dass der Kläger Erbe geworden ist, denn der ergehende Schiedsspruch wirkt zwischen den Schiedsparteien wie ein rechtskräftiges Zivilurteil, § 1055 ZPO.
Rz. 85
Der wesentlichste Unterschied zwischen einem Erbschein und einem Schiedsspruch im Feststellungsschiedsverfahren besteht darin, dass ein Erbschein weder in formelle noch in materielle Rechtskraft erwachsen kann – im Gegensatz zum Feststellungsschiedsspruch bzw. -urteil.
Der Erbschein erzeugt eine Gutglaubenswirkung nach §§ 2365 ff. BGB, erwächst aber nicht in Rechtskraft; er wirkt inter omnes. Der Schiedsspruch hingegen erwächst in formelle und materielle Rechtskraft, wirkt aber nur inter partes. Das Erbscheinsverfahren selbst und das sich daran anschließende Beschwerdeverfahren sind der Schiedsgerichtsbarkeit nicht zugänglich.
Rz. 86
Für das Erbscheinsverfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 26 FamFG, während für den Feststellungsprozess der Beibringungsgrundsatz gilt.
Ausgangspunkt ist die vollkommen andere Situation der an einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit beteiligten Personen im Vergleich zum Schiedsverfahren bzw. zum Zivilprozess. Während im Schiedsverfahren aufgrund des dort – wie im allgemeinen Zivilprozess – geltenden formellen Parteibegriffs die Person des Klägers und des Beklagten und damit der jeweiligen Prozesspartei ohne weiteres aus der Klageschrift entnommen werden und damit die formale Rechtsstellung des Betroffenen festgestellt werden kann, stößt dies in der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf erheblich größere Schwierigkeiten. Hier unterscheidet man den "formell Beteiligten" und den "materiell Beteiligten"; schon der Begriff der Partei passt nicht auf Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Andererseits verzichtet die ZPO – aus gutem Grunde – auf den materiellen Parteibegriff.
An einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit formell beteiligt ist der Antragsteller, soweit es sich um ein Antragsverfahren handelt. Materiell beteiligt ist jeder, dessen Rechtsstellung durch die begehrte Entscheidung des konkreten Verfahrensgegenstandes betroffen werden kann; ob sie wirklich betroffen wird, kann erst nach Erlass der Entscheidung gesagt werden. Die materielle Beteiligung ergibt also den Kreis der an der gerichtlichen Entscheidung Interessierten, interessiert deshalb, weil ihre Rechtsposition durch die Entscheidung berührt werden kann.
Aus diesen Gründen kann nur ausnahmsweise eine Bindung des Nachlassgerichts an Schiedssprüche angenommen werden.
Nach h.M. ist das Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren dann an ein Urteil eines Zivilgerichts – und damit auch an einen Schiedsspruch – gebunden, wenn am Erbscheinsverfahren keine anderen Personen beteiligt sind als die Parteien des Zivilprozesses. Aber auch dann, wenn am Zivilprozess andere Personen beteiligt waren, darf das Nachlassgericht nur insofern vom Zivilurteil bzw. Schiedsspruch abweichen, als es in dem Erbschein nur eine Person als Erbe nennen darf, die nicht Partei des Zivilprozesses bzw. Schiedsverfahrens war. Sollten die Parteien des Schiedsverfahrens einerseits und die materiell Beteiligten des Erbscheinsverfahrens andererseits nicht vollständig kongruent sein, so kommt, soweit Kongruenz besteht, die Erteilung eines Teilerbscheins in Betracht.