I. Voraussetzungen
Rz. 2
Gemäß § 485 ZPO kann ein selbstständiges Beweisverfahren außerhalb oder während eines Streitverfahrens durchgeführt werden, wenn entweder der Verfahrensgegner dem zustimmt oder zu befürchten ist, dass ohne das Verfahren ein Beweismittel verloren geht oder in seiner Benutzung erschwert wird (Abs. 1).
Rz. 3
Daneben kann eine Partei die Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat,
▪ |
dass der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, |
▪ |
die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, |
▪ |
der Aufwand für die Beseitigung eines Personen- oder Sachschadens oder Sachmangels |
festgestellt wird (Abs. 2).
Rz. 4
Ein solches rechtliches Interesse liegt einerseits immer dann vor, wenn der das Verfahren beantragenden Partei nicht zugemutet werden kann, mit der Behebung der Mängel oder Schäden zuzuwarten, die durch das selbstständige Beweisverfahren bewiesen werden sollen.
Beispiele:
▪ |
A lässt sich von Zahnarzt Z das Gebiss sanieren. Nach der Behandlung empfindet sie schreckliche Schmerzen. Hier kann A nicht zugemutet werden, mit einer neuerlichen, fachgerechten Gebisssanierung zuzuwarten, bis im regulären Streitverfahren eine Beweisaufnahme angeordnet und durchgeführt wird. |
▪ |
B lässt sich von Dachdecker D das Dach decken. Nach Abschluss der Arbeiten regnet es in Strömen in das Haus des B hinein. |
Auch hier wäre es unzumutbar, wenn man B verpflichten wollte, bis zu einer Beweisaufnahme im Prozessverfahren auf die Reparatur des Daches zu warten, da in der Zwischenzeit die Gefahr besteht, dass die Substanz des Hauses durch das eindringende Regenwasser beschädigt wird.
Rz. 5
Als rechtliches Interesse sieht das Gesetz es im Übrigen an, wenn zu erwarten ist, dass nach Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ein Rechtsstreit vermieden wird. Hiervon kann dann ausgegangen werden, wenn die Parteien sich zwar über die Verursachung des Schadens einig sind, nicht aber über dessen Höhe, die ein Sachverständiger unter gerichtlicher Aufsicht feststellen soll. Ebenso ist denkbar, dass die Parteien zwar die Schadensfolgen als unstreitig ansehen, nicht aber deren Verursachung, die wiederum ein Sachverständiger feststellen soll.
II. Einleitung des Verfahrens
Rz. 6
Das selbstständige Beweisverfahren wird durch einen Antrag beim zuständigen Gericht eingeleitet.
1. Zuständiges Gericht
Rz. 7
Für die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens ist das Gericht zuständig, bei dem auch die Hauptsache anhängig ist. Gibt es ein solches Gericht noch nicht, weil Klage noch nicht erhoben worden ist, ist das Gericht zuständig, das auch für die Hauptsache zuständig wäre. In Notfällen kann auch das Gericht angerufen werden, in dessen Bezirk sich die zu vernehmende oder zu begutachtende Person oder Sache befindet.
2. Antrag
Rz. 8
Der Antrag muss schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden. Er muss die Bezeichnung des Gegners enthalten. Ist dem Antragsteller ohne sein Verschulden die Benennung eines Gegners nicht möglich, hat er dies glaubhaft zu machen, § 494 ZPO. Das Gericht kann dem unbekannten Gegner zur Wahrnehmung seiner Rechte einen Vertreter stellen. Außerdem müssen in ihm die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, sowie die hierfür angebotenen Beweismittel benannt werden. Hierfür gelten die auch für die Klageschrift dargestellten Regeln, d.h. die zu beweisende Tatsache muss bestimmt angegeben werden. Ausforschungsbeweise sind auch im selbstständigen Beweisverfahren unzulässig.
Rz. 9
Die Tatsachen, nach denen der Antrag zulässig ist, sind glaubhaft zu machen. Dies kann durch Beifügung einer Eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers geschehen.
III. Verfahren
Rz. 10
Über den Antrag kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Entscheidung erfolgt durch nicht anfechtbaren Beschluss, in dem die zu beweisenden Tatsachen und Beweismittel (§ 490 Abs. 2 ZPO), bezeichnet sind.
Die Beweisaufnahme erfolgt unter vorheriger Ladung des Antragsgegners, dem der Beschluss zuvor oder gleichzeitig zugestellt wird. Die Ladung soll dabei so erfolgen, dass der Antragsgegner seine Rechte wahrnehmen kann (§ 491 Abs. 1 ZPO). Die Beweisaufnahme findet nach den für die Beweisaufnahme allgemein geltenden Regeln statt. Es wird ein Protokoll gefertigt, das beim das selbstständige Beweisverfahren führenden Gericht verbleibt. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden und auch einen gerichtlichen Vergleich protokollieren (§ 492 Abs. 2 ZPO).