Rz. 70

Es gilt das Beschleunigungs- und Vorrangsgebot des §°155 FamFG.[106] Aufgrund des Beschleunigungsgebots des § 155 Abs. 1 FamFG ist das Familiengericht gehalten, die aus seiner Sicht notwendigen Ermittlungen von Amts wegen zu führen, um so die Entscheidungsreife des Verfahrens herbeizuführen und – wenn die Eltern sich nicht einigen können – zeitnah in der Sache zu entscheiden.[107]

 

Praxistipp:

Das Gericht soll spätestens einen Monat nach Beginn des Verfahrens ein Termin stattfinden, in dem die Beteiligten und das Jugendamt persönlich anzuhören sind.
Das Beschleunigungsgebot hat auch Auswirkungen auf Vertagungsanträge der Beteiligten, die nur aus zwingenden Gründen Erfolg haben (§ 155 Abs. 2 S. 3 und 4 FamFG). Eine Terminkollision des Anwalts ist regelmäßig kein zwingender Grund!
Diese Vorgaben können auch dazu führen, dass das Gericht einen Termin in einer anderen Sache, die nicht dem Beschleunigungsgebot unterliegt, aufheben muss.
 

Rz. 71

Jedoch ist auch das Beschleunigungsgebot kein Selbstzweck, sondern wird durch das Kindeswohl geprägt und ggf. begrenzt – insbesondere dort, wo die Aufklärung des Sachverhalts im Vordergrund steht.[108]

 

Rz. 72

Bei Fällen von Gewalttätigkeit, Verdacht von sexuellem Missbrauch usw. gelten Besonderheiten bei der Vorgehensweise (gründliche Aufklärung statt Beschleunigung, besondere Schutzmaßnahmen, Einschränkungen der Anwesenheitsrechte bei der Anhörung).[109]

 

Rz. 73

 

Praxistipp:

Grundsätzlich gilt § 155 FamFG auch in der zweiten Instanz.[110]
Problematisch ist allerdings, dass die Fristen zur Beschwerdebegründung nicht zu dieser kurzen Frist passen.[111]

§ 158 FamFG verlangt in zahlreichen Fällen die Bestellung eines Verfahrensbeistandes für das Kind, dazu Rdn 86.

[106] OLG Stuttgart FamRZ 2017, 1254, OLG Hamburg FamRZ 2017, 986, OLG Bremen FamRZ 2017, 984.
[107] OLG Frankfurt FamRZ 2020, 1117; zum Beschleunigungsgebot beim Notbetrieb im Familiengericht aufgrund der Corona-Pandemie siehe KG FuR 2020, 585.
[108] Schmid, FPR 2011, 5, 6; vgl. OLG Bremen FuR 2017, 614.
[109] Einzelheiten bei Schmid, FPR 2011, 5, 6 und 7.
[110] Büte, FuR 2010, 597, 599.
[111] Zu den Problemen und Einschränkungen Diehl, FuR 2010, 542, 544.

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