Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 97
Wird in einem Verfahren zum Umgangsrecht Verfahrenskostenhilfe beantragt, stellen sich in der familienrechtlichen Praxis verschiedene Probleme.
a) Erfolgsaussichten in Umgangsverfahren
Rz. 98
Auch hier ist ein Regelungsbedürfnis Voraussetzung für die Erfolgsaussichten des konkret gestellten Antrags. Verfahrenskostenhilfe ist grundsätzlich zu bewilligen, wenn das Umgangsrecht vom anderen Elternteil verweigert wird.
Rz. 99
Geht es um die Abänderung einer praktizierten Regelung hinsichtlich des zeitlichen Umfangs oder anderer Modalitäten, kann das Gericht durchaus eine gewisse Vorprüfung vornehmen, ob sich der Antrag im Rahmen des üblicherweise angeordneten Umgangs bewegt oder ob andernfalls besondere Gründe vorgetragen werden, die eine weitergehende Regelung angezeigt sein lassen können. Bei einer gewünschten Änderung einer gerichtlichen Umgangsregelung ist zudem die Schwelle des § 1696 BGB zu beachten.
Rz. 100
Zu weitgehend ist dagegen die Ansicht, die Erfolgsaussicht (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) dürften im Verfahren über die Regelung des Umgangs (§ 1684 Abs. 3 BGB) nicht danach beurteilt werden, ob der Vortrag des Beteiligten geeignet ist, das von ihm angestrebte Verfahrensergebnis zu erreichen. Verfahrenskostenhilfe sei vielmehr schon dann zu bewilligen, wenn der Verfahrensgegenstand einen ernsthaften Anlass zu eingehender Überprüfung erkennen lässt und zu erwarten ist, der Beteiligte werde Tatsachenschilderungen und Rechtsansichten vortragen können, um seine Rechte geltend zu machen. Der Erfolg der Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) in Kindschaftssachen liege nicht in der Aussicht, die beantragte Regelung durchzusetzen oder eine hoheitliche Maßnahme abzuwenden, sondern in der Erwartung, der Beteiligte werde Tatsachen oder Rechtsmeinungen vortragen können, die bei der Prüfung der Regelungs- und Eingriffsvoraussetzungen und bei der Ausübung des Auswahlermessens zu berücksichtigen sein werden, in die die Rechte und Interessen sowohl beider Eltern als auch des Kindes einzustellen sind. Eine solche Ansicht führt zu einem Automatismus bei der Einleitung eines Verfahrens mit der Folge, dass der Verfahrensgegner mit den anteiligen Verfahrenskosten (§ 81 FamFG) eines letztlich nicht erforderlichen gerichtlichen Verfahrens belastet wird (dazu siehe Rdn 94).
b) Mutwilligkeit bei unterlassener vorheriger Einbeziehung des Jugendamtes
Rz. 101
Umstritten ist, ob einem Beteiligten Verfahrenskostenhilfe in einem gerichtlichen Verfahren über das Umgangsrecht wegen Mutwilligkeit verweigert werden kann, wenn vorher nicht versucht worden ist, über das Jugendamt eine Vermittlung herbeizuführen.
Zur Frage der Mutwilligkeit bei gleichzeitigem Antrag zur Hauptsache und im Verfahren der einstweiligen Anordnung siehe Rdn 119.
Rz. 102
Mutwillig ist die Rechtsverfolgung, wenn ein Beteiligter, der keine Verfahrenskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 2 ZPO). Mutwilligkeit ist zu bejahen, wenn ein einfacherer und billigerer Weg zum gleichen Erfolg führt. Er muss dem kostenaufwändigeren im Wesentlichen aber ganz gleichwertig sein. Mit schlechterem Rechtschutz braucht sich der Hilfebedürftige nicht zufrieden zu.
Wenn der Bedürftige vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens keinen Versuch einer außergerichtlichen Streitschlichtung unter Vermittlung des Jugendamtes unternommen hat, ist umstritten, ob die Rechtsverfolgung als mutwillig einzustufen ist.
aa) Strenge Ansicht: Jugendamt muss immer eingeschaltet werden
Rz. 103
Nach einer strengen Ansicht wird dies unter Hinweis auf die Subsidiarität und den Sozialhilfecharakter der Verfahrenskostenhilfe bejaht, so dass vom Hilfsbedürftigen immer zunächst zu verlangen sei, dass er die kostenfreien Angebote zur Erreichung seines Ziels wenigstens versuchsweise wahrgenommen habe, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch nehme.
bb) Gegenansicht: Einschaltung des Jugendamtes nie erforderlich
Rz. 104
Die Gegenansicht verneint generell Mutwilligkeit, wenn ein Elternteil das Familiengericht anruft, ohne vorher die Beratung und Hilfe des Jugendamts in Anspruch genommen zu haben, weil dies nicht vorgeschrieben sei und die Erledigung verzögere.
cc) Vermittelnde Auffassungen
Rz. 105
Vorzuziehen ist eine vermittelnde Auffassung, nach der dem Hilfsbedürftigen zwar zunächst abverlangt wird, die für ihn kostenfreien Angebote und Vermittlungsbemühungen des Jugendamtes zur Erreichung seines Zieles wenigstens versuchsweise wahrzunehmen, bevor er gerichtliche Hilfe in Anspruch ni...