Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 211
Die §§ 1592–1598 BGB normieren die Einzelheiten zum Bestehen von Vaterschaft aufgrund ehelicher bzw. nachehelicher Geburt oder Anerkennung der Vaterschaft. § 1599 BGB behandelt dagegen die nachträgliche Beseitigung solchermaßen bestehender Vaterschaft, wenn sie mit der genetischen Herkunft nicht übereinstimmt. Dazu ist regelmäßig gerichtliche Anfechtung erforderlich (§ 1599 Abs. 1 BGB), deren Einzelheiten in den §§ 1600–1600c, 1600e BGB geregelt sind. Wenn aufgrund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist, gelten § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 nicht.
Rz. 212
Nach § 1600 Abs. 1 BGB sind berechtigt, die Vaterschaft anzufechten:
1. |
der Mann, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 1 und 2, § 1593 besteht, |
2. |
der Mann, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, |
3. |
die Mutter und |
4. |
das Kind. |
Rz. 213
Für die Anfechtung des Mannes, der an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (Absatz 1 Nr. 2 BGB) ist weiter Voraussetzung, dass zwischen dem Kind und seinem Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 BGB keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und dass der Anfechtende leiblicher Vater des Kindes ist.
Rz. 214
Eine solche sozial-familiäre Beziehung besteht, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater im Sinne von Absatz 1 Nr. 1 mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
Rz. 215
Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.
Rz. 216
Von großer praktischer Bedeutung sind die Regelungen über die Anfechtungsfrist in § 1600b BGB, die ebenfalls zum seit 29.7.2017 wie folgt neu gefasst worden sind:
Zitat
(1) 1Die Vaterschaft kann binnen zwei Jahren gerichtlich angefochten werden. 2Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Berechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen; das Vorliegen einer sozial-familiären Beziehung im Sinne des § 1600 Abs. 2 erste Alternative hindert den Lauf der Frist nicht.
(1a) (aufgehoben)
(2) 1Die Frist beginnt nicht vor der Geburt des Kindes und nicht, bevor die Anerkennung wirksam geworden ist. 2In den Fällen des § 1593 Satz 4 beginnt die Frist nicht vor der Rechtskraft der Entscheidung, durch die festgestellt wird, dass der neue Ehemann der Mutter nicht der Vater des Kindes ist.
(3) 1Hat der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Kindes die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann das Kind nach dem Eintritt der Volljährigkeit selbst anfechten. 2In diesem Falle beginnt die Frist nicht vor Eintritt der Volljährigkeit und nicht vor dem Zeitpunkt, in dem das Kind von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen.
(4) 1Hat der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen die Vaterschaft nicht rechtzeitig angefochten, so kann der Anfechtungsberechtigte nach dem Wegfall der Geschäftsunfähigkeit selbst anfechten. 2Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(5) 1Die Frist wird durch die Einleitung eines Verfahrens nach § 1598a Abs. 2 gehemmt; § 204 Abs. 2 gilt entsprechend. 2Die Frist ist auch gehemmt, solange der Anfechtungsberechtigte widerrechtlich durch Drohung an der Anfechtung gehindert wird. 3Im Übrigen sind § 204 Absatz 1 Nummer 4, 8, 13, 14 und Absatz 2 sowie die §§ 206 und 210 entsprechend anzuwenden.
(6) Erlangt das Kind Kenntnis von Umständen, aufgrund derer die Folgen der Vaterschaft für es unzumutbar werden, so beginnt für das Kind mit diesem Zeitpunkt die Frist des Absatzes 1 Satz 1 erneut.
Rz. 217
BGH v. 2.11.2016 – XII ZB 583/15
Zitat
Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft ist die allein sorgeberechtigte und mit dem rechtlichen Vater nicht verheiratete Mutter von der gesetzlichen Vertretung des minderjährigen Kindes nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen. Aus der notwendigen Beteiligung der Mutter am Abstammungsverfahren folgt noch kein Ausschluss von der Vertretung des Kindes. Die Mutter ist im einen wie im anderen Verfahren grundsätzlich gleichermaßen geeignet oder ungeeignet, das Kind seinem Wohl entsprechend gesetzlich zu vertreten. Wenn mithin das Gesetz in § 1629 Abs. 2 S. 3 Halbs. 2 BGB eine Entziehung der Vertretungsmacht nach § 1796 BGB sogar verbietet, verdeutlicht dies die gesetzgeberische Wertung, dass die Mutter als geeignete Vertreterin des Kindes anzusehen ist. Für den Beginn der das minderjährige Kind betreffenden Frist zur Anfechtung der Vaterschaft ist in diesem Fall auf die Kenntnis der Mutter als alleiniger gesetzlicher Vertreterin abzustellen.
BGH, Beschl. v. 27.1.2016 – XII ZB 639/14