Dr. iur. Wolfram Viefhues
Rz. 201
Ein solches berechtigtes Interesse ist gegeben, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu informieren.
Die persönlichen Verhältnisse des Kindes, auf die sich die Auskunftspflicht erstreckt, sind alle für sein Befinden und seine Entwicklung wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Umstände. Geschuldet sei ein grober Abriss über das Wichtige im kindlichen Befinden, ein Überblick über die persönliche, gesundheitliche, soziale, schulische und außerschulische Entwicklung des Kindes. Die Auskunftspflicht des betreuenden Elternteils nach § 1686 Abs. 1 BGB wird folglich auch auf die Vorlage einer Kopie des Impfausweises erstreckt.
Rz. 202
Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls der Umgang mit dem Kind darstellen. Dies gilt allerdings nur, wenn hierdurch nicht der mit dem Umgangsrecht auch verbundene Zweck, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu pflegen sowie einer Entfremdung vorzubeugen gefährdet wird und das Kind in der Lage sowie willens ist, dem Elternteil die erforderlichen Informationen zu erteilen. Ebenfalls in Betracht kommt im Einzelfall beispielsweise, dass der Elternteil sich – etwa als Inhaber (von Teilen) der Personensorge – die Informationen unschwer von Dritten verschaffen, oder dass er auf sonstige Informationsquellen wie regelmäßige Hilfeplangespräche oder auch Protokolle hierüber zu verweisen ist, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln. Die Auskunftsverpflichtung steht selbstständig neben einer Regelung des Umgangs.
Rz. 203
Das Auskunftsrecht darf jedoch nicht zur Überwachung des Sorgeberechtigten missbraucht werden, etwa, um Material zur Änderung einer missliebigen Sorgerechtsregelung zu erlangen; diesem Zweck dient weder das Umgangs- noch das dieses ergänzende und begleitende Auskunftsrecht.
Rz. 204
Regelmäßig wird ein berechtigtes Interesse vorliegen, wenn
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das Umgangsrecht des betroffenen Elternteils durch gerichtliche Entscheidung nach § 1684 Abs. 4 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen wurde. |
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das Kind wegen geringem Alter oder einer Krankheit nicht selbst berichten kann oder |
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das Kind den Kontakt in jeder Form völlig ablehnt. |
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nach längerer Abwesenheit ansonsten der Zweck des Umgangsrechts ohne die erforderliche Auskunft gefährdet wäre. |
Rz. 205
Praxistipp:
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Der Umstand, dass sich der Auskunftsberechtigte jahrelang nicht um das Kind gekümmert hat, rechtfertigt es nicht, das berechtigte Interesse an der Auskunft generell zu verneinen. |
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Allerdings kann das bisherige Verhalten gegenüber dem Kind für den Inhalt und Umfang der gebotenen Auskunft von Bedeutung sein. |
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Das berechtigte Interesse fehlt z.B. auch, wenn die Auskünfte auch von Dritten in zumutbarer Weise selbst eingeholt werden können. Dies ist dann der Fall, wenn z.B. nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil übertragen wurde, das gemeinsame Sorgerecht jedoch weiter besteht. In diesen Fällen hat der Elternteil gegenüber Ärzten, Schule etc. einen Auskunftsanspruch. |
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Ist der die Auskunft fordernde Elternteil mit Ausnahme des Aufenthaltsbestimmungsrechts Mitinhaber der elterlichen Sorge über das betroffene Kind kann er sich die gewünschten Angaben über die schulische und gesundheitliche Entwicklung trotz seines ausländischen Wohnsitzes grundsätzlich selbst besorgen. |
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Die Auskunftspflicht des Elternteils, bei dem sich das Kind in Obhut befindet, endet mit Volljährigkeit des Kindes. Der Jugendliche ist ab diesem Zeitpunkt selbst in der Lage, über seine persönlichen Verhältnisse Auskunft zu erteilen. Daher endet auch hiermit die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung gegen die Obhutsperson. |