Rz. 7
Gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bleibt der Erwerb eines Grundstückes von Todes wegen steuerfrei, soweit der Erblasser in dem Grundstück eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und Erwerber Kinder oder Enkel der Steuerklasse I Nr. 2 sind und soweit die Wohnung 200 m² nicht übersteigt. Die Steuerfreiheit gilt nicht nur für den Erwerb des Eigentums, sondern auch für den Erwerb des Miteigentums, was möglicherweise den Fall der Erbengemeinschaft regeln soll, tatsächlich aber nicht regelt. Weitere Voraussetzung der Steuerbefreiung ist die unverzügliche Selbstnutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erben. Der Erwerb durch den Ehegatten ist gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ebenfalls befreit, enthält allerdings nicht die Größenbeschränkung auf 200 m².
a) Wie wird die Steuerbefreiung auf heterogene Erbengemeinschaften angewendet?
Rz. 8
Eine heterogene Erbengemeinschaft im Sinne der Regelung des § 13 ErbStG liegt vor, wenn nicht nur Erben der Steuerklasse I Nr. 2, also Kinder oder Kinder verstorbener Kinder, Miterben sind, sondern auch Dritte. Weitere Probleme dürften sich ergeben, wenn neben den Kindern auch der Ehegatte Miterbe ist, auf den der eigene Tatbestand der Steuerbefreiung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG Anwendung findet. Der Sachverhalt wird weiter erschwert, wenn das Familienheim auch noch größer als 200 m² ist. Bereits durch Erlass der Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 wurde dieser Sachverhalt inzwischen geklärt und entsprechend auch in den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 behandelt. Nach Beispiel 2 der Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 werden die jeweiligen Tatbestandsmerkmale personenbezogen auf jeden Erwerber individuell angewendet. Soweit die Wohnfläche des Familienheims somit 200 m² überschreitet und ein Kind Miterbe wird sowie die sonstigen Tatbestandsmerkmale zur Steuerbefreiung erfüllt, wird die Steuerbefreiung für das Kind nur anteilig im Verhältnis zur tatsächlichen Wohnfläche gewährt.
Rz. 9
In seiner Pressemitteilung vom 7.11.2008 teilt das BMF mit, dass die Kernfamilie begünstigt werden solle und daher Witwen, Witwer und Kinder des Erblassers keine Erbschaftsteuer auf ein vererbtes Haus oder eine Wohnung zahlen müssen, solange sie diese mindestens zehn Jahre lang selbst nutzen.
Nach dem Wortlaut der Regelung dürfte jedoch eine heterogene Erbengemeinschaft die Steuerbefreiung grundsätzlich ausschließen, denn Erwerber des Grundstückes ist nicht der einzelne Miterbe, sondern die Gesamthand. Auch die im Gesetzestext enthaltene Regelung zum Erwerb von Miteigentumsanteilen führt nicht zu einer Erstreckung der Steuerbefreiung auf die einzelnen Miterben, denn die Miterben werden erst dann zu Miteigentümern des Grundstückes, wenn die Erbauseinandersetzung in diese Richtung betrieben wurde. Geck ist für den Fall des Ehegatten als Miterben allerdings der Auffassung, dass eine Freistellung in Höhe der Erbquote erfolgt.
Auch die vorstehenden Fragen wurden durch die Erbschaftsteuerrichtlinien 2011 geklärt und ihre Beantwortung mit den Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 fortgeführt. Die Miterben erhalten die Steuerbefreiung bezogen auf ihren Anteil an dem begünstigten Objekt, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen, wie z.B. Einhaltung der Haltefrist oder Nutzung zu eigenen Wohnzwecken, erfüllen.
Rz. 10
Tatsächlich eröffnet die Finanzverwaltung eine Rückwirkung durch freie Teilungsanordnung oder freie Erbauseinandersetzung, um dem tatsächlichen Nutzer des Familienheims die vollständige Steuerbefreiung zukommen zu lassen.
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung spielt der Zeitpunkt der Erbauseinandersetzung jedoch keine Rolle, insbesondere muss diese nicht zeitnah innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall erfolgt sein.
b) Welche Auswirkung hat ein unterschiedliches Nutzungsverhalten einzelner Mitglieder der Erbengemeinschaft?
Rz. 11
Da die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG nur eingreift, wenn der Erwerber unverzüglich die erworbene Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt, stellt sich die Frage, wie sich eine Erbengemeinschaft verhalten muss, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen.
Wie bereits zuvor ausgeführt, fasst die Finanzverwaltung die Tatbestandsmerkmale der Steuerbegünstigung erwerberbezogen auf, sodass die mangelnde Nutzung des Familienheims durch einen Miterben zu seinem Verlust der Begünstigung führt, nicht jedoch zu einem Verlust für die übrigen Miterben.