Rz. 87
Beispiel 29
Der Erblasser hat ausländische Kapitaleinkünfte in den Jahren 2011, 2012 und 2013 hinterzogen. Steuererklärungen für diese Jahre hat er abgegeben. Durch eine anonyme Anzeige war gegen den Erblasser ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, in dessen Folge er ein umfassendes Geständnis gemacht und die Umfänge der nicht erklärten Kapitaleinkünfte offen gelegt hat. Gegen den Erblasser wurde daraufhin ein Strafbefehl vom zuständigen Amtsgericht erlassen, in dem der Erblasser zu einer erheblichen Geldstrafe verurteilt wurde. Hiergegen legte der Erblasser Einspruch ein, sodann verstarb er 2016. Gesetzliche Erben sind seine Töchter C und D.
Da die strafrechtliche Schuld etwas Höchstpersönliches ist, rücken die Erben insoweit nicht in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Zwingende Folge des Todes des angeklagten Erblassers ist damit, dass das Strafverfahren eingestellt wird. Damit entfallen auch Belastungen des Nachlasses durch eine Geldstrafe. Diese stellt, selbst wenn der Strafbefehl im obigen Fall 29 rechtskräftig geworden wäre, keine Verbindlichkeit dar, die den Nachlass belastet (§ 459c Abs. 3 StPO). Da der Tod eines Angeklagten formal ein Verfahrenshindernis darstellt, ist das Verfahren gem. § 206a StPO endgültig einzustellen. Die mittlerweile ganz herrschende Meinung geht davon aus, dass über die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO eine Entscheidung zu ergehen hat. Grundsätzlich sind daher in einem solchen Fall die Verfahrenskosten und auch die notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen. Da § 467 Abs. 3 StPO als einzige Ausnahme vorsieht, dass (unter bestimmten Voraussetzungen) die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden, gilt diese Regelung für Verfahrenskosten nicht. Der Nachlass bleibt von Verfahrenskosten verschont.
Rz. 88
Lediglich bei der Frage der Überbürdung der notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten (insbesondere das Verteidigerhonorar fällt hierunter) kann auf der Basis einer Verurteilungswahrscheinlichkeitsprognose von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abgesehen werden. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Unschuldsvermutung verletzt ist, wenn in einem Einstellungsbeschluss eine strafrechtliche Schuld zugewiesen wird, ohne dass diese zuvor prozessordungsgemäß festgestellt wurde.
Rz. 89
Nicht ausgeschlossen erscheint allerdings analog § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, dass in einer Einstellungsentscheidung ohne förmlichen Schuldspruch die Verdachtslage beschrieben und daraus Schuldwahrscheinlichkeitserwägungen abgeleitet werden. Ganz überwiegend wird deshalb hinsichtlich der notwendigen Auslagen geprüft, ob die vorliegenden Verdachtsgründe die Überzeugung vermitteln, dass ohne das Eintreten des Verfahrenshindernisses eine Verurteilung erfolgt wäre. Nach Aktenlage muss annähernd sicher darzustellen sein, dass der frühere Angeklagte verurteilt worden wäre. Dies wird regelmäßig nur im Falle eines Geständnisses des Erblassers anzunehmen sein. Da in Beispiel 29 der Erblasser ein Geständnis abgelegt hat, würden ihm die notwendigen Auslagen selbst aufgebürdet. Diese fallen damit dem Nachlass zur Last.
In steuerlicher Hinsicht ist von der Regelung auszugehen, dass gem. § 1922 BGB und § 45 AO Forderungen und Schulden in dem Zustand auf den Erben übergehen, in dem sie im Zeitpunkt des Todes des Erblassers bestanden. Soweit im Fall 29 noch keine Bescheide für die fraglichen Jahre ergangen sind und das Besteuerungsverfahren im Hinblick auf das laufende Strafverfahren ausgesetzt war, können nach dem Tod des Erblassers nunmehr unter Auswertung des Steuerstrafverfahrens die Besteuerungsgrundlagen realisiert werden. Es kann damit auch nach dem Tod eines Steuerpflichtigen festgestellt werden, ob die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale der Steuerhinterziehung vorliegen, die für die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit etwaiger nachgeforderter Steuern von Bedeutung sind. Die Prüfung erfolgt allerdings nicht mehr im Steuerstrafverfahren, sondern im Besteuerungsverfahren und richtet sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung.
Im Rahmen dieser Feststellungen ist die Erbengemeinschaft mitwirkungsverpflichtet. Allerdings sind den Steuerbehörden durch die geständige Einlassung des Verstorbenen die tatsächlichen Grundlagen für eine Nachfestsetzung bekannt, so dass es weitergehende Handlungspflichten der Erbengemeinschaft nicht geben dürfte.