Rz. 50
Die Strafanzeige als Mittel der erbrechtlichen Auseinandersetzung erscheint nicht nur wegen des im Strafverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes, sondern auch deshalb reizvoll, weil im Ermittlungsverfahren Beweise und auch Vermögen gesichert werden können. Die Einbeziehung der Strafverfolgungsbehörden in erbrechtlich geprägte Sachverhalte folgt dabei regelmäßig verschiedenen Zielsetzungen seitens der Mandanten:
So steht erfahrungsgemäß das eigentliche Hauptziel eines Strafverfahrens, nämlich die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs gegenüber dem erbrechtlichen Kontrahenten häufig nicht im Vordergrund der Zielsetzungen der den Strafantrag stellenden Mandanten. Diesen geht es meist nicht um das Ergebnis, sondern den Weg, den das Strafverfahren bis zur Anklage bzw. Bestrafung beschreitet. Dort geht es um:
▪ |
Informationsgewinnung |
▪ |
Beweisermittlung/-sicherung |
▪ |
Sicherstellung von Vermögen/Gegenständen. |
Rz. 51
Dies sind typische Zielsetzungen der erbrechtlichen Auseinandersetzung. Sie sind hingegen nur "Abfallprodukt" eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, bei dem der staatliche Strafanspruch im Vordergrund steht (Offizialprinzip – § 152 Abs. 1 StPO "zur Erhebung der öffentlichen Klage ist die Staatsanwaltschaft berufen"). Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen. § 152 StPO ist insoweit als Kompetenznorm zu verstehen, die der Staatsanwaltschaft und den dieser nachgeordneten Ermittlungsbehörden die ausschließliche Kompetenz zur Ermittlung von strafrechtlichen Sachverhalten zuspricht. Diese übertragene Berechtigung führt zugleich aber auch zu der Verpflichtung, Anklage zu erheben, wenn die Voraussetzungen dazu bestehen (sogenannter Anklagezwang). Dies ist das notwendige Korrelat zum Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft. Dazu gehört ausdrücklich auch die Verpflichtung für die Staatsanwaltschaft, von denen ihr zu Gebote stehenden Zwangsbefugnissen Gebrauch zu machen. Diese gesetzlich normierte Verpflichtung der Staatsanwaltschaft zu ermitteln, d.h. Informationen zu beschaffen, Beweise zu sichern, Tatmittel sicherzustellen und zu beschlagnahmen, muss man sich in den hier interessierenden Fallkonstellationen nutzbar machen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass sich aus dem Vorbringen des Anzeigenden ein Anfangsverdacht ergibt.
Dieser setzt voraus, dass für eine verfolgbare Straftat (a) zureichende tatsächliche Anhaltspunkte (b, Rdn 66 ff.) gegeben sind:
a) Verfolgbare Straftat
Rz. 52
Im vorliegenden Zusammenhang ist bei der Frage der verfolgbaren Straftat als Voraussetzung für die Aufnahme von Ermittlungen vor allem auf Verjährungsproblematiken und Strafantragserfordernisse einzugehen. Beide Aspekte (fehlender Strafantrag und eingetretene Verfolgungsverjährung) stellen nach der Terminologie des Gesetzes sogenannte Verfahrenshindernisse dar (vgl. §§ 206a Abs. 1, 260 Abs. 3 StGB). Dieser Begriff bezeichnet das Fehlen von Prozessvoraussetzungen, wobei üblicherweise zwischen sogenannten Befassungsverboten und Bestrafungsverboten unterschieden wird. Befassungsverbote (z.B. fehlende wirksame Anklage, fehlende örtliche oder sachliche Zuständigkeit u.Ä.) führen dazu, dass ein Verfahren gar nicht durchgeführt werden darf. Jedoch hindern die sogenannten Bestrafungsverbote, zu denen ein fehlender oder zurückgenommener Strafantrag ebenso gehört wie eine eingetretene Verjährung grundsätzlich nicht die Durchführung eines Verfahrens, sondern nur die Bestrafung wegen des Tatvorwurfs. Dass ein Verfahren – insbesondere ein Ermittlungsverfahren – sogar ohne Strafantrag möglich ist, ergibt sich im Umkehrschluss aus § 130 StPO. Dort wird festgelegt, dass sogar Haftbefehl ergehen kann bei Straftaten, die nur auf Antrag verfolgbar sind, bevor ein solcher Strafantrag gestellt wurde.
Nichts anderes gilt bei einer Verjährungsfrage, da dort zunächst im Ermittlungsverfahren die Voraussetzungen einer möglichen Verjährung in tatsächlicher Hinsicht geprüft werden müssen.
aa) Verjährung
Rz. 53
Die Strafverfolgungsverjährung richtet sich nach § 78 Abs. 3 StGB. Relevant sind im erbrechtlichen Zusammenhang die Regelverjährungen nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 und 5 StGB. Danach verjähren Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafen von mehr als einem Jahr bis zu 5 Jahren bedroht sind, in 5 Jahren. Taten mit geringerer Straferwartung verjähren nach 3 Jahren. Der Fristbeginn richtet sich nicht nach der Tatvollendung, sondern nach § 78a S. 1 StGB danach, wann das auf Verwirklichung des Tatbestandes gerichtet Täterverhalten beendet ist. Aus § 78a S. 2 ergibt sich die Ergänzung, dass die Verjährung nich...