Rz. 42
Beispiel 17
Sohn S des Erblassers E vernichtet dessen einziges Testament, in dem er S enterbt und dessen Bruder B als Alleinerben eingesetzt hat. S erwirkt anschließend die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins.
Dass es sich hierbei um eine mittelbare Falschbeurkundung handelt, ist bereits oben festgestellt worden (siehe Rdn 19 f.). Zurückgehend auf eine Entscheidung des Reichsgerichts geht die Rechtsprechung bis heute davon aus, dass schon bei Erteilung des (falschen) Erbscheins ein vollendeter (Dreiecks)Betrug gegeben ist. Das Nachlassgericht wird über die Berechtigung des Miterben getäuscht und ein entsprechender Irrtum erregt. Die Erteilung des Erbscheins hat vermögensverfügenden Charakter; sie führt isoliert zwar noch nicht zu einem Schaden, aber eben zu einer schadensgleichen konkreten Vermögensgefährdung. Dies gründet sich auf die Vermutungswirkung des Erbscheins: Für den im Erbschein als Erbe Genannten spricht die Vermutung des ihm zustehenden Erbrechts und die nach §§ 2366, 2367 BGB mit öffentlichem Glauben ausgestattete Befugnis zur Verfügung über Erbschaftsgegenstände und -rechte sowie zur Entgegennahme von Leistungen. Dies gilt im Rahmen der Erbengemeinschaft allerdings nur eingeschränkt, denn bei dem in Frage stehenden Gesamthandsvermögen dürfen Verfügungen nur gemeinsam getätigt und Leistungen nur gemeinsam angenommen werden.
Dass die späteren Nutzungen des (unrichtigen) Erbscheins gegenüber Dritten ihrerseits eigenständige Betrugshandlungen darstellen, erscheint regelmäßig problematisch. Während die Vertragspartner als Getäuschte wegen des umfassenden Gutglaubensschutzes der §§ 2366, 2367 BGB weder einen Vermögensschaden noch eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung erleiden, fehlt es für einen Dreiecksbetrug zu Lasten der wirklichen Erben an der erforderlichen Nähebeziehung zwischen dem Dritten und dem wirklichen Erben. Eine solche normative Nähebezeichnung kommt nur dann in Betracht, wenn der Getäuschte vor der Tat in einer engeren, ihn legitimierten Beziehung zum Vermögen des Geschädigten stand. Bei den Vertragsparteien fehlt ein solches Obhutsmoment, sie erscheinen letztlich als außenstehende Dritte. Daher stehen die Vertragspartner der Erbengemeinschaft dieser regelmäßig nicht so nahe, dass deren irrtumsbedingte Verfügung zu einem (mittelbaren) Betrug gegenüber den Miterben führen müsste.
Beispiel 18
E wird zu gleichen Teilen von seinen Söhnen S und B beerbt. Nach seinem Tod geht S in die Wohnung des E und zerreißt einen von ihm unterzeichneten Schuldschein. Diesem lag ein Darlehen zugrunde, dass E dem S noch zu Lebzeiten gewährt hatte. Im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verschweigt S diese Darlehensforderung. B geht davon aus, dass der ganze Nachlass aufgedeckt ist, fordert aber S nicht zu einer Erklärung auf.
Rz. 43
Soweit bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein unter § 263 StGB fallendes Verhalten in Frage steht, ist zu differenzieren:
Wichtig ist, ob es sich um ein aktives, täuschendes Verhalten des Miterben mit entsprechender Irrtumserregung beim anderen Miterben handelt; denn die hiervon zu unterscheidende Täuschung durch Unterlassung führt nur bei Entstehen einer Garantenpflicht zur Strafbarkeit. Allein aus der bloßen Miterbenstellung resultiert regelmäßig keine Handlungspflicht. Eine solche kann sich aus Gesetz, Vertrag oder vorangegangenen Tun ergeben. Soweit z.B. § 2057 BGB eine Auskunftspflicht durch den Miterben konstituiert, besteht sie nicht per se, sondern nur auf Verlangen eines Miterben. Wer nach Aufforderung eines Miterben falsche Angaben macht, täuscht aktiv, so dass es auf die Frage der Garantenpflicht gar nicht mehr ankommt.
Rz. 44
In Beispiel 18 wäre strafrechtlich zu fragen, ob im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft die Miterben B und S gemeinsam ein Inventarverzeichnis des Nachlasses aufstellten, Forderungen gegen Dritte zusammentrugen usw.; in einem solchen Verhalten wäre zwar keine ausdrückliche, allerdings eine konkludente Täuschung zu sehen. Es ist anerkannt, dass auch in schlüssigen Handlungen ein irreführendes Verhalten liegen und dadurch ein Irrtum erregt werden kann. Wer als Miterbe an einer Inventarliste respektiv einer Forderungsliste der Erbengemeinschaft mitwirkt, dürfte konkludent erklären, dass ihm über diese Liste hinaus keine weiteren Forderungen zugunsten der Erbengemeinschaft bekannt sind. Damit dürfte S den B über den Umstand des noch nicht zurückgezahlten Darlehens, das der Erbengemeinschaft gegen ihn selbst zustand, getäuscht haben und einen entsprechenden Irrtum bei B erregt haben. Die weiteren Voraussetzungen des Betruges, insbesondere die notwendige Bereicherungsabsicht, liegen offenkundig vor.
Wenn vorliegend eine solche Täuschung durch aktives Tun nicht gegeben wäre, ergäbe sich eine Garantenpflicht aus Ingerenz. Im Zerreißen des Schuldscheines liegt eine Urkundenunterdrückung; derartiges strafbares und vermögensgefährdendes Vorverhalten begründet eine A...