Rz. 46
Beispiel 19
Die Erbengemeinschaft besteht aus S, B und K. In ihrem Gesamtvermögen stehen drei neuwertige Kfz. Da S weit entfernt vom Wohnort des Erblassers wohnt, kümmert er sich um den Nachlass wenig. B und K veräußern zwei Fahrzeuge ohne Rücksprache mit S an einen Autohändler ganz erheblich unter dem Listenpreis. S wird um seine Zustimmung ersucht. Er genehmigt die Rechtsgeschäfte. Einige Zeit später erfährt S durch Zufall, dass die beiden Fahrzeuge von B und K zwischenzeitlich erworben wurden.
Variante: S und K leben im Ausland und beauftragen B mit der Verwaltung des Nachlasses. Im Rahmen dieser Verwaltung schließt er wirksam Rechtgeschäfte mit einem Autohändler über zwei Fahrzeuge, die er weit unter Listenpreis veräußert und die sodann (mit einem Aufschlag von 10 %) von seiner Ehefrau erworben werden.
Untreue gem. § 266 StGB setzt eine Vermögensbetreuungspflicht voraussetzt. Diese muss nicht nur fremdnützig sein, sondern auch eigenständigen Charakter haben. Angesichts dieser klaren Voraussetzungen scheidet Untreue in der Erbengemeinschaft regelmäßig aus, denn die Verfügungsbefugnis über Gegenstände des Nachlasses steht grds. nur sämtlichen Erben gemeinsam zu. Hieraus ergibt sich aber keine Vermögensbetreuungspflicht der Miterben. Eine solche kann nur entstehen, soweit einem Mitglied der Erbengemeinschaft die Verwaltung oder sonstige Vertretung der übrigen Miterben übertragen wird. Soweit in Beispiel 19 zwar der Verdacht besteht, die Fahrzeuge wären deshalb so günstig verkauft worden, weil sie sodann wieder von den beiden Miterben rückerworben werden sollten, führt dies nicht zu einer Strafbarkeit gem. § 266 StGB. Weder B noch K traf eine Vermögensbetreuungspflicht, sie konnten nach außen ohnedies gar nicht rechtswirksam handeln, ihr Verhalten musste seitens des S noch genehmigt werden. Damit fehlte es an der für den Untreuetatbestand notwendigen Eigenständigkeit der Pflichtenstellung des Handelnden.
Anders sind die sogenannten Verwalterfällen zu beurteilen, in denen – ähnlich wie bei einem Testamentsvollstrecker – einem Miterben die Verwaltung des Nachlasses oder Teilen hiervon übertragen wurde. In diesen Fällen kann der Verwalter in dem ihm übertragenen Aufgabenkreis rechtswirksam nach außen handeln und damit auf das Gesamthandvermögen unmittelbar einwirken. Der in der Abwandlung des Falles nahe liegende Verzicht auf einen Vertragsschluss mit günstigeren Bedingungen kann einen Nachteil zu Lasten des zu betreuenden Vermögens darstellen.
Rz. 47
Beispiel 20
Gesetzliche Erben des Erblasser E sind S, V und K zu gleichen Teilen. Im Nachlass befindet sich ein Grundstück im Wert von 200.000 EUR, das E eigentlich der Ehefrau des K versprochen hatte. K verfügte noch über eine Vollmacht des Erblassers, die über den Tod hinaus galt. Kurz nach dem Tod des E geht K zu einem Notar und überträgt auf der Grundlage der widerrufenen Vollmacht das Grundstück auf seine Ehefrau. Der Notar beurkundet die Auflassung und beantragt Eigentumsumschreibung. Im Nachlass findet sich eine Kopie eines Widerrufsschreibens des E, das dieser per Einschreiben/Rückschein an K gesandt hatte. S erstattet Strafanzeige und Strafantrag gegen K.
Dieses einer Entscheidung des OLG Stuttgart nachgebildete Beispiel illustriert die Bandbreite strafrechtlich relevanten Verhaltens bei erteilter postmortaler Vollmacht. Eine Strafbarkeit des Bevollmächtigten kommt hier in mehrerlei Hinsicht in Betracht.
So ist zunächst anerkannt, dass das Grundbuch ein öffentliches Buch i.S.d. § 271 StGB ist, soweit es ein dingliches Recht an einem Grundstück bezeugt. Damit wird die inhaltliche Richtigkeit des Grundbuchs geschützt. Bei Vorlage einer erloschenen Vollmachtsurkunde und der daraufhin erfolgten notariellen Beurkundung des Verpflichtungs- und Auflassungsvertrages, wird eine mittelbare Falschbeurkundung bewirkt. Inhaltlich unrichtig ist es aufgrund des neu eingetragenen "falschen" Eigentümers. Zwar ist der K wirksam bevollmächtigt worden; diese Vollmacht ist jedoch durch Widerruf erloschen. Tatfrage wäre allenfalls, ob der Nachweis der Kenntnis von dem Widerruf durch die Einschreiben/Rückschein-Karte geführt werden kann. Es liegt ferner der Qualifikationstatbestand der schweren mittelbaren Falschbeurkundung (§ 271 Abs. 3 StGB) nahe, da der K in (Dritt-)Bereicherungsabsicht zugunsten seiner Ehefrau handelte.
Rz. 48
In derartigen Vollmachtsmissbrauchsfällen liegt ferner ein Dreiecksbetrug: Der handelnde Notar wird über das Bestehen der Vollmacht getäuscht, da diese bereits zuvor widerrufen worden war und ein entsprechender Irrtum bei ihm erregt. Zwar wird es in aller Regel nicht Pflicht des Notars sein, die ihm vorgelegte Vollmachtsurkunde auf ihre materiellrechtliche Gültigkeit zu überprüfen; allerdings ist der Notar gesetzlich verpflichtet, eine Beurkundung dann abzulehnen, "wenn seine Mitwirkung bei Handlungen verlangt wird, mit denen erkennbar unerlaubte oder unredliche Zwecke verfolgt werden" (§ 4 BeurkG). Damit wird der Notar vor der erbetenen ...