Dr. iur. Artur-Konrad Wypych
Rz. 52
Der Umgang mit Gefahrstoffen wird im Wesentlichen durch zwei europäische Verordnungen geregelt, die Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH, 1907/2006/EG), sowie die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP, 1272/2008/EG). Diese Verordnungen mit unmittelbarer Rechtswirkung wie ein nationales Gesetz regeln u.a. den Arbeitsschutz beim Einsatz bestimmter Chemikalien in Arbeitsverfahren aller Art.
Zunächst erfordert die REACH-VO die Registrierung der Chemikalien zur Erbringung des Nachweises für deren Unbedenklichkeit. Dieser ist Voraussetzung für Produktion, Verkauf und Verarbeitung der betreffenden Stoffe und Zubereitungen in der EU. Grundlage der Registrierung ist die Angabe von Grenzwerten (DNEL, derived no effect level), bei denen nach Auffassung des Herstellers keine Gefahr für die sog. "nachgeschalteten Anwender" des Stoffes mehr besteht. "Besonders besorgniserregende" Stoffe bedürfen einer speziellen Zulassung. Aufgrund des erheblichen Aufwandes und der sehr großen Anzahl von Stoffen ist die Registrierung nach der bereits 2007 in Kraft getretenen REACH-VO noch immer nicht abgeschlossen und wurde zuletzt durch die Verordnung 2021/979/EU ergänzt, sodass derzeit 219 Stoffe erfasst sind. Diese Erweiterung gilt unmittelbar ab dem 8.1.2022. Zur Erleichterung des Umgangs mit diesem extrem umfangreichen Vorschriftenkomplex wurde eine nationale Auskunftstelle für Hersteller, Importeure und Anwender chemischer Stoffe (Helpdesk) eingerichtet (http://www.reach-clp-biozid-helpdesk.de). Die wesentliche Arbeitsschutzmaßnahme der Unternehmen, die solche -registrierten- chemischen Stoffe einsetzen, ist die sorgfältige Auswertung der jeweiligen Sicherheitsdatenblätter (SDBl.) und die Berücksichtigung der sich daraus ergebenden Gefahren im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Für die Umsetzung in die Praxis sind hilfreich die BekGS 409 (Nutzung der REACH-Informationen für den Arbeitsschutz, GMBl. 2012, 119), sowie die Veröffentlichung LV 51 (Handlungsanleitung für die Umsetzung der REACH-Verordnung im Arbeitsschutz, https://lasi-info.com/publikationen/lasi-veroeffentlichungen?tx_ikanoslasipublications_publications%5Baction%5D=download&tx_ikanoslasipublications_publications%5Bcontroller%5D=Publication&tx_ikanoslasipublications_publications%5Bpublication%5D=33&cHash=8244689784f18debd9655ed3afbece64) des Länderausschusses für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik.
Hinweis
Die Beachtung von REACH ersetzt nicht die nationalen Regelungen des Arbeitsschutzes, sondern ergänzt sie!
Beispiel: Auch wenn REACH ausdrücklich einen zulässigen Expositionsgrenzwert (DNEL) nennt, muss der deutsche Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) eingehalten werden, wenn letzterer strenger ist.
Rz. 53
Ergänzt wird die REACH-VO seit 2009 durch die CLP-VO (Classification, Labelling and Packaging) zur Regelung der Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung. Sie wird auch als GHS-VO bezeichnet, da sie das "Globally Harmonized System of Classification and Labelling of Chemicals" der Vereinten Nationen für die EU umsetzt. Kernstück der CLP-VO ist die einheitliche Einstufung und Kennzeichnung, insbesondere auch durch weltweit einheitliche Piktogramme.
I. Umgang mit Gefahrstoffen
Rz. 54
Zunächst ergibt sich aus dem Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (ChemG), welche Stoffe – auch als Arbeitsstoffe – als gefährlich anzusehen sind (§ 3a ChemG i.V.m. § 3 Abs. 1 GefStoffV). Dafür sind vor allem Eigenschaften wie giftig, ätzend, reizend, explosionsgefährlich, entzündlich, krebserzeugend, fruchtschädigend, erbgutverändernd oder andere chronisch schädigende Eigenschaften maßgebend. Die konkreten Anforderungen an den Schutz der Arbeitnehmer im Umgang mit gefährlichen Stoffen ergeben sich aus den Ausführungsvorschriften zum ChemG, insb. aus der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen – Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) die zurzeit i.d.F. vom 1.10.2021 gilt. Zur Ausführung gibt es Technische Richtlinien (TRGS, siehe dazu ausführlich Rdn 70).
Rz. 55
Aus der GefStoffV ergibt sich eine Vielzahl von Pflichten für den Arbeitgeber, in dessen Betrieb mit Gefahrstoffen umgegangen wird, insbesondere:
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Führung eines Verzeichnisses der im Betrieb verwendeten Gefahrstoffe, das Gefahrstoffkataster (§ 6 Abs. 12), soweit diese nach der durchgeführten Gefährdungsbeurteilung (s.u.) nicht nur zu einer geringen Gefährdung führen; mit Hinweis auf das Sicherheitsdatenblatt für den jeweiligen Stoff und zugänglich für alle Beschäftigten und den Betriebsrat. Wichtig ist, dass seit dem Inkrafttreten der CLP-VO 2009 die bisher 15 "Gefährlichkeitsmerkmale" eines Stoffes durch 28 "Gefahrklassen" ersetzt wurden. Ebenso wurden die sog. "R- und S-Sätze" (Risiko- und Sicherheitssätze) durch "Gefahrenhinweise" (H-Kennzeichnung) und "Sicherheitshinweise" (P-Kennzeichnung) abgelöst. Gefahrstoffe müssen seit Dezember 2012 entsprechend der CLP-VO gekennzeichnet sein, Zubereitungen seit 1.6.2015. |
Rz. 56
Muster 23.1: Gefahrstoffkataster
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