Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 48
Die Gütergemeinschaft ist der Exot unter den Güterständen. Sie ist heute aufgrund der ungünstigen Haftung jedes Ehegatten für die Schulden des anderen nur noch selten vorzufinden. Voraussetzung ist zunächst die notarielle Vereinbarung dieses Güterstandes, wobei der Ehevertrag sowohl vor als auch nach Eheschließung geschlossen werden kann. Die Auswirkungen sind weitreichend. Im Unterschied zu den beiden anderen Güterständen für Ehepartner führt die Gütergemeinschaft zu verschiedenen Vermögensmassen, die unterschiedlich vererbt werden.
I. Grundsätzliches
Rz. 49
Als Erstes entsteht eine einheitliche Vermögensmasse, das sog. Gesamtgut. Es handelt sich um gesamthänderisches gebundenes, gemeinschaftliches Vermögen beider Ehegatten. Hierunter fällt alles Vermögen, das die Eheleute in die Ehe einbringen bzw. das sie während der Ehe erwerben. Der Ehegatte kann dann weder über seinen Anteil am Gesamtgut noch über seinen Anteil an den dazu gehörenden Einzelgegenständen verfügen (§ 1419 BGB). Ferner verfügt der Ehegatte noch über das sog. Sondergut (§ 1417 BGB). Dabei handelt es sich um Gegenstände, die nicht durch Rechtsgeschäfte übertragen werden können (z.B. Nießbrauch, Schmerzensgeldanspruch). Des Weiteren wird das sog. Vorbehaltsgut begründet, und zwar durch Erklärung per Ehevertrag oder per Verfügung von Todes wegen mit dieser Bestimmung oder kraft Surrogation (§ 1418 BGB).
Somit können bei der Gütergemeinschaft fünf verschiedene Vermögensmassen entstehen:
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Gesamtgut der Ehegatten |
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Sondergut des Ehemannes |
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Sondergut der Ehefrau |
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Vorbehaltsgut des Ehemannes |
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Vorbehaltsgut der Ehefrau. |
Rz. 50
Die unterschiedlichen Vermögensmassen haben auch Auswirkungen auf die Vererbung. Das Sondergut ist ohnehin aufgrund nicht übertragbarer Rechte regelmäßig nicht vererbbar. Das Vorbehaltsgut wird zu 100 Prozent vom Erblasser vererbt.
Da das Gesamtgut beiden Eheleuten gehört, kann hier nur die Hälfte vererbt werden. Mit dem Tod des Ehegatten ist die Gesamthandsgemeinschaft aber noch nicht aufgeteilt. Es bedarf einer Liquidation, die einen besonderen Rechtsakt, vergleichbar mit der Erbteilung, erfordert.
Die gesetzliche Erbquote des Ehegatten ist bei Gütergemeinschaft immer ¼, die Quote für sämtliche Kinder ¾.
Beispiel
V und M haben Gütergemeinschaft vereinbart. V verstirbt. Zwei Kinder S und T.
Ehefrau M erhält ¼ nach § 1931 Abs. 1 BGB, die Kinder je ⅜ nach § 1924 Abs. 1, 4 BGB:
1.) Anteil am Gesamtgut: M ⅝ (½ + ¼), Kinder je 3/16 (⅜ vom ½ Anteil);
2.) Anteil am Sonder-, Vorbehaltsgut: M ¼, Kinder je ⅜.
II. Begründung der Gütergemeinschaft als Schenkung?
Rz. 51
Fraglich ist, ob die Begründung der Gütergemeinschaft auch als taktisches Mittel zur Pflichtteilsreduzierung eingesetzt werden kann. Selbst wenn nämlich nur ein Ehegatte bei Begründung der Gütergemeinschaft über Vermögen verfügte, dürfte keine Schenkung darin gesehen werden. Nach dem BGH kann nur ausnahmsweise eine Schenkung des begüterten an den bereicherten Ehegatten liegen. Dazu bedarf es außer der Einigung über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung noch einer Verdrängung der güterrechtlichen causa für die Bereicherung durch den schuldrechtlichen Schenkungsvertrag. Für eine derartige Annahme bedarf es der Feststellung, dass die Geschäftsabsichten der Eheleute nicht zwecks Verwirklichung der Ehe auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen gerichtet waren.
Rz. 52
Die Grenze bilden aber Fälle des Missbrauchs der Ehevertragsfreiheit. Die Vermutung einer verdeckten Schenkung kann sich dabei nach dem BGH aufdrängen,
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wenn nach einem einheitlichen Plan zunächst Gütergemeinschaft und nach einiger – auch längerer – Zeit ein anderer Güterstand vereinbart wird, |
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oder wenn es sich etwa um eine nachträgliche Verschiebung wertvoller Gegenstände aus dem Vorbehaltsgut eines Ehegatten in das des anderen oder in das Gesamtgut oder um eine solche aus dem Gesamtgut in Vorbehaltsgut handelt. |
Ein gewichtiges Anzeichen für die Verfolgung "ehefremder Zwecke" kann es auch sein,
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wenn Gütergemeinschaft kurz vor dem Tode eines Ehegatten vereinbart wird, |
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oder wenn für die Auseinandersetzung dem zunächst weniger begüterten Teil eine höhere Quote eingeräumt wird, als es § 1476 BGB vorsieht, |
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oder wenn ein Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen. |
Regelmäßig aber ist die durch die Entstehung von Gesamtgut bedingte Bereicherung des Ehegatten pflichtteilsergänzungsfest.
III. Anordnung im Testament
Rz. 53
In so gut wie keinem der gängigen Formularbücher zur Testamentsgestaltung findet sich der Hinweis, dass in ein Testament oder in einen Schenkungsvertrag, in dem die eigenen Abkömmlinge berücksichtigt werden, vorsorglich immer auch eine Erklärung für den Fall der Bildung einer Gütergemeinschaft durch den Abkömmling aufgenommen werden sollte. Andernfalls droht die Gefahr, dass das Familienvermögen durch den Güterstand automatisch zur Hälfte an das Schwiegerkind geht, was i.d.R. vom Erblasser nicht gew...