Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 59
Die Auswirkungen des Ehescheidungsverfahrens auf das Erbrecht werden häufig falsch eingeschätzt. Nachfolgend soll der Ausschluss des Ehegattenerbrechts und das taktische Verhalten im Ehescheidungsprozess näher beleuchtet werden. Die Ausführungen beziehen sich lediglich auf die Fälle, in denen zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrags noch keine letztwillige Verfügung von Todes wegen vorliegt. Hat der Erblasser bereits eine letztwillige Verfügung getroffen, so sind die Regelungen der §§ 2077, 2068 und 2279 BGB zu beachten.
I. Scheidungsverfahren und gesetzliches Erbrecht
Rz. 60
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten und sein Recht auf Voraus sind nicht vom Bestand der Ehe zum Zeitpunkt des Erbfalls abhängig. Nach § 1933 S. 1 BGB verliert der Ehegatte sein gesetzliches Erbrecht und sein Recht auf Voraus schon dann, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte. Nach § 1933 S. 2 BGB gilt die gleiche Folge, wenn der Erblasser zum Antrag auf Eheaufhebung nach § 1313 BGB berechtigt war und den Antrag gestellt hatte.
Rz. 61
Ein "Antrag" liegt nur vor und eine "Zustimmung" zur Scheidung ist nur möglich, wenn der Scheidungsantrag zum Zeitpunkt des Eintritts des Erbfalls rechtshängig war. Die Zustellung des Antrags gemäß §§ 261 Abs. 1, 253 und 622 Abs. 2 S. 2 ZPO muss daher vor dem Erbfall erfolgt sein, § 167 ZPO ist nicht analog anwendbar. Das Brandenburgische OLG erachtet das Vorliegen einer besonderen, auf das Verfahren gerichteten Vollmacht für erforderlich, um von einem wirksamen Scheidungsantrag ausgehen zu können.
Die Zurücknahme beseitigt die Wirkungen des § 1933 BGB. Wird der Scheidungsantrag – gleich aus welchem Grund – vor dem Erbfall zurückgenommen, hat dies daher zur Folge, dass auch die Zustimmung des Erblassers zur Scheidung wirkungslos wird. Vorsicht ist auch bei längerem Nicht-Betreiben des Scheidungsverfahrens geboten: Dieses wird wie eine Rücknahme des Scheidungsantrags behandelt, mit der Folge, dass die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Ehegattenerbrechts nicht mehr vorliegen.
Praxishinweis
Um das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten im Rahmen des Scheidungsverfahrens auszuschließen, ist vorsorglich ebenfalls ein Scheidungsantrag zu stellen. Andernfalls kann durch Rücknahme des Scheidungsantrags seitens des Ehegatten das Ehegattenerbrecht bestehen bleiben!
Rz. 62
Als erste Konsequenz im Rahmen eines Scheidungsverfahrens sollte der Rechtsanwalt demnach auf jeden Fall für seinen Mandanten immer auch einen eigenen Scheidungsantrag stellen, um den sichersten Weg zu beschreiten. Wollen nämlich beide Ehegatten nicht mehr an der Ehe festhalten, entfällt auch die Rechtfertigung ihrer Erbberechtigung, weil damit die Scheidung sicher voraussehbar ist. Hat nur der überlebende Ehegatte die Scheidung beantragt, ist die Scheidung aber noch nicht durchgeführt worden, bleibt das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten erhalten, wenn der Erblasser dem Antrag noch nicht zugestimmt oder eigenen Scheidungsantrag gestellt hatte.
Rz. 63
Die Zustimmung kann nach § 134 FamFG zu Protokoll der Geschäftsstelle, in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts, in einem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten aber auch in einem eigenen Schriftsatz erklärt werden. Sie ist eine Prozesshandlung und muss daher jedenfalls gegenüber dem Gericht erklärt werden – einer außergerichtlichen Zustimmung kommt keine endgültig bindende Wirkung zu. Eine im Prozesskostenhilfeverfahren erklärte Zustimmung wird mit Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens wirksam.
Rz. 64
Praxishinweis
Vorsicht bei der Nichterteilung der Zustimmung zur Scheidung oder wenn droht, dass die Härteklausel nach § 1568 BGB zum Zuge kommt: Dann sofort den Mandanten veranlassen, eine Verfügung von Todes wegen zu fertigen.
Problematisch sind nämlich die Fälle, in denen der Erblasser von der Härteklausel gemäß § 1568 2. Alt. BGB Gebrauch macht, um eine Scheidung zur "Unzeit" zu verhindern. Die Härteklausel wird insb. in den Fällen in Betracht kommen, in denen eine besondere psychische Belastung des todkranken Ehegatten besteht, oder bei objektivierbarer und konkretisierbarer Selbstmordabsicht des Erblassers sowie z.B. bei einer Spätphase einer Multiplen Sklerose mit der Gefahr wesentlicher Gesundheitsverschlechterung.
Will der Erblasser also keinesfalls der Scheidung zustimmen oder macht er, wie gerade aufgezeigt, von der Härteklausel des § 1568 BGB Gebrauch, so ist ihm dringend anzuraten, eine Verfügung von Todes wegen zu verfassen. Der Vorteil einer derartigen Vorgehensweise ist zudem, dass dann auch § 1371 Abs. 2 BGB greift. Wird der überlebende Ehegatte nämlich nicht Erbe und steht ihm auch kein Vermächtnis zu, kann er lediglich einen Zugewinnausgleich nach §§ 1373–1383, 1390 BGB verlangen. Sein Pflichtteil berechnet sich jedoch nach der nicht erhöhten gesetzlichen Erbquote von regelmäßig ¼, mithin also ⅛.
Rz. 65
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