Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
1. Änderungen durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts
Rz. 142
Plant der Unternehmer sein minderjähriges Kind zum Erben einzusetzen, ist danach zu differenzieren, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird. Zudem können dann weitere Probleme dadurch entstehen, wenn z.B. der gesetzliche Vertreter Mitunternehmer ist.
Durch die Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts sind ab dem 1.1.2023 zahlreiche Änderungen in Kraft getreten, die es nun zu beachten gilt. Das Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts wird dazu führen, dass unentgeltliche Übertragungen von GmbH-Geschäftsanteilen in Zukunft öfter als bisher einer familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen. Bei Personengesellschaften wird sich die Reform angesichts der bisherigen Rechtsprechung weniger stark auswirken.
Zunächst wird eine kurze Übersicht über die wichtigsten Vorschriften in diesem Zusammenhang dargestellt.
Rz. 143
Bis zum 31.12.2022 galt Folgendes:
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§ 1629 BGB: Vertretung des Kindes
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Eltern üben Sorgerecht gemeinschaftlich aus |
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Ausnahme: nur ein Elternteil hat Sorgerecht |
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Abs. 2: Keine Vertretung soweit Vormund auch nicht vertreten dürfte → Verweisung auf § 1795 BGB; |
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§ 1643 BGB: Genehmigungspflichtige Rechtsgeschäfte bei Vertretung durch Eltern; |
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§ 1795 BGB: Ausschluss von der Vertretungsmacht bei Interessenkollision; |
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Umgehungsverbot in § 1644 BGB: Überlassung von Vermögensgegenständen an das Kind; |
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Genehmigungspflicht für bestimmte Geschäfte, §§ 1821, 1822 BGB. |
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Wichtig! Differenzieren zwischen:
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Verbot der Vertretung nach §§ 1629, 1795 BGB, die zur Bestellung eines Ergänzungspflegers nach § 1909 BGB führt und |
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Genehmigungspflicht nach §§ 1643, 1822 BGB, die zur notwendigen Genehmigung durch das Familiengericht in den Fällen des § 1643 BGB und durch das Familiengericht in den Fällen der §§ 1821, 1822 BGB führt. |
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Ablauf beim Vertragsabschluss bzgl. Genehmigungserfordernis:
Rz. 144
Seit dem 1.1.2023 gilt Folgendes:
Starke inhaltliche Änderungen haben sich grundsätzlich nicht ergeben.
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Der Ausschluss der Vertretungsmacht der Eltern ergibt sich aber nun nicht mehr aus § 1795 BGB a.F., sondern aus § 1824 BGB n.F. |
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Statt in § 1909 BGB a.F. ist nun die Ersatzpflegschaft in § 1809 BGB n.F. geregelt. |
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Die Erklärung der Genehmigung folgt jetzt aus § 1855 BGB n.F. statt aus § 1828 BGB a.F. |
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Die Vorschriften der §§ 1821, 1822 BGB a.F. wurden durch die
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§ 1850 (Genehmigung für Rechtsgeschäfts über Grundstücke und Schiffe) |
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§ 1851 (Genehmigung für erbrechtliche Rechtsgeschäfte) sowie |
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§ 1852 (Genehmigung für handels- und gesellschaftsrechtliche Rechtgeschäfte) |
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§ 1853 (Genehmigung bei Verträgen über wiederkehrende Leistungen) sowie durch |
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§ 184 BGB n.F. (Genehmigung für sonstige Rechtsgeschäfte) |
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ersetzt. |
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Rz. 145
Plant der Unternehmer, sein minderjähriges Kind zum Erben einzusetzen oder zu beteiligen bzw. ein Nichtunternehmer gar zu Lebzeiten einem Minderjährigen z.B. Anteile an einer Immobiliengesellschaft zu übertragen, ist danach zu differenzieren, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird.
Praxishinweis
Der Mandant sollte auf jeden Fall auf erhebliche Risiken und den sichersten Weg hingewiesen werden! Es empfiehlt sich in zweifelhaften Fällen die vorsorgliche Einholung einer Genehmigung. Dies ist gegenüber der Beantragung eines Negativattests vorzugswürdig, da ein Negativattest eine eventuell erforderliche Genehmigung nicht ersetzt.
Nachfolgend sollen kurz die wesentlichen Bereiche, die für die Praxis wichtig sind, geschildert werden. In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass notwendige Zustimmungen des gesetzlichen Vertreters fehlen oder gar die familiengerichtliche Genehmigung nicht eingeholt wurde. Dies kann mitunter fatale Folgen haben, denn die Rückwirkung des § 184 BGB gilt nicht im Ertragssteuerrecht.
Im Wesentlichen geht es um drei Fragen:
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Wann darf der Minderjährige selbst handeln? |
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Wann darf der Elternteil den Minderjährigen nicht rechtlich vertreten? |
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Wann muss das Familiengericht ein Handeln für den Minderjährigen (ggf. zusätzlich) genehmigen? |
2. Wann darf ein Minderjähriger selbst handeln?
Rz. 146
Minderjährige, die das siebte, nicht aber das 18. Lebensjahr vollendet haben (also vom 7. Geburtstag, 0.00 Uhr bis zum Tag vor dem 18. Geburtstag, 23.59 Uhr) sind beschränkt geschäftsfähig (§ 106 BGB), vorher sind sie geschäftsunfähig (§ 104 BGB).
Natürlich kann auch in Einzelfällen der Minderjährige für sich selbst handeln, wenn er denn bereits beschränkt geschäftsfähig ist.
Bei einem lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäft handelt das Kind ab Vollendung des siebten Lebensjahres entweder selbst (§ 107 BGB), oder es kann jedenfalls von den Eltern vertreten werden, die hi...