Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 29
Immer wieder wird auf die taktische Ausschlagung hingewiesen, wonach der als Erbe oder Vermächtnisnehmer bedachte Ehegatte aus ökonomischen Gründen erwägen solle, die Erbschaft auszuschlagen. Bevor ausgeschlagen und die güterrechtliche Lösung gewählt wird, gilt es aber genau zu rechnen und zu überprüfen, ob nicht der Ehegatte sich etwaige Vorempfänge nach Maßgabe des § 1380 BGB anrechnen lassen muss.
Rz. 30
Auf die Zugewinnausgleichsforderung eines Ehegatten werden die Zuwendungen angerechnet, die ein Ehegatte während der Ehe – im Fall des Todes bis zum Bewertungsstichtag Tod – vom anderen Ehegatten mit der Bestimmung der Anrechnung nach § 1380 Abs. 1 S. 1 BGB erhalten hat. Dabei besteht für Zuwendungen eine Anrechnungsvermutung, die den Wert von Gelegenheitsgeschenken, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind, übersteigen. Nach § 1380 Abs. 2 BGB bestimmt sich der (nach hier vertretener Auffassung indexierte) Wert nach dem Zeitpunkt der Zuwendung, spätere reale Wertänderungen bleiben außer Betracht. Der Wert der Zuwendung ist bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des leistenden Ehegatten hinzuzurechnen und aus dem Endvermögen des anderen Ehegatten herauszurechnen (Berechnungsbeispiel vgl. Rdn 34).
Rz. 31
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 1380 BGB ergibt, kommt die Norm nur dort zur Anwendung, wo sich eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers – also nur des nicht bedachten Ehegatten – ergibt.
Als Zuwendungen werden nur freiwillige Leistungen ohne Gegenleistung angesehen. Hierunter fallen auch die in der Praxis bedeutsamen ehebedingten Zuwendungen.
Rz. 32
Somit sind für die Praxis insb. folgende Zuwendungen, die nach § 1380 BGB anrechnungspflichtig sind, zu berücksichtigen:
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Übertragung des Miteigentums einer Immobilie oder Finanzierung einer gemeinsamen Immobilie durch einen Ehegatten allein; |
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Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung; |
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Unternehmensbeteiligung; |
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Geldleistungen; |
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kostbare Geschenke über das den Lebensverhältnissen übliche Maß hinaus. |
Rz. 33
Große Sorgfalt ist bei der Feststellung des Endvermögens walten zu lassen. Hat der Erblasser oder der Ehegatte illoyale Verfügungen zu Ehezeiten getätigt, ist auf jeden Fall zu prüfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, das jeweilige Endvermögen aufgrund § 1375 Abs. 2 BGB zu erhöhen. Hier ist insb. an Schenkungen an Dritte (neuen Lebenspartner etc.) zu denken. Es sollte auf jeden Fall auch die Auskunft zum Trennungszeitpunkt eingeholt werden, um von den Erleichterungen des § 1375 Abs. 2 S. 2 BGB zu profitieren (Vermögensverschiebungen zwischen Trennungszeitpunkt und Zustellung Scheidungsantrag).
Des Weiteren gilt § 1374 Abs. 2 BGB nicht für Schenkungen und unbenannte Zuwendungen unter Eheleuten. Dies bedeutet, dass dieses Vermögen nicht dem Anfangsvermögen des Beschenkten zugerechnet wird.
Rz. 34
Praxishinweis
Für Kautelarjuristen ist daher dringend zur Vermeidung einer Haftung zu empfehlen, bei Zuwendungen unter Ehegatten nicht nur an eine Anrechnung auf den Erb- und/oder Pflichtteil zu denken, sondern auch ausdrücklich die Anrechnung oder Nichtanrechnung auf einen etwaigen Zugewinn nach § 1380 BGB zu regeln.
Beispiel (Berechnung):
Die Ehefrau hat eine anrechnungspflichtige Zuwendung i.H.v. 100.000 EUR erhalten.
Das Nachlassvermögen des Ehemanns beträgt 400.000 EUR; das Endvermögen der Ehefrau zum Zeitpunkt des Todes des Ehemanns 60.000 EUR. Das Anfangsvermögen beider Ehegatten war 0 EUR.
Schritt 1 (Berechnung des Zugewinns ohne Zuwendung):
400.000 EUR – 60.000 EUR = 340.000 EUR : 2 = 170.000 EUR
Schritt 2 (Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn – ohne eine Indexierung vorzunehmen):
400.000 EUR + 100.000 EUR = 500.000 EUR
Schritt 3 (Abzug der Zuwendung vom Zugewinn des ausgleichungsberechtigten Empfängers):
60.000 EUR – 100.000 EUR = 0, da der Zugewinn nicht niedriger als 0 EUR sein kann!
Schritt 4 (Unter Berücksichtigung der neuen Werte erneute Zugewinnausgleichsberechnung):
500.000 EUR – 0 EUR = 500.000 EUR : 2 = 250.000 EUR
Schritt 5 (Abzug der Zuwendung vom neuen Zugewinnwert):
250.000 EUR – 100.000 EUR = 150.000 EUR
Somit muss statt 170.000 EUR lediglich 150.000 EUR als Zugewinnausgleich gezahlt werden!
Der komplizierte Rechenweg kann regelmäßig unterbleiben, wenn der Wert der Zuwendung im Zugewinn des Empfängers wertmäßig noch vorhanden ist.
Rz. 35
Der Wert der Zuwendung bestimmt sich nach dem jeweiligen Zeitpunkt der Zuwendung, sodass eine Wertsteigerung in den Zugewinn fällt. Nach der früher herrschenden Meinung muss die Zuwendung nicht indexiert werden. Begründet wurde dies damit, dass der Kaufkraftausgleich durch die Anrechnung der Zuwendung beim Zuwender und durch den Abzug beim Zuwendungsempfänger neutralisiert wird. Dies dürfte aber nicht richtig sein und geht inzwischen auch die h.M. von einer Indexierung aus. Die Differenzierung, ob die Zuwendung von Dritten (dann indexiert) oder aber vom Ehegatten (dann nicht indexiert) stammt, ist nicht ...