Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 96
Der Erblasser könnte dadurch, dass er den Nachlass an Personen verschenkt, die ihm genehmer sind als die an seinem Nachlass Pflichtteilsberechtigten, sein Vermögen zum Zeitpunkt seines Todes auf Null stellen. Rein rechnerisch ergäben sich dann keine Pflichtteilsansprüche mehr. Dem beugt § 2325 Abs. 1 BGB vor, indem der Wert der Schenkung dem Nachlass als sog. fiktiver Nachlass hinzugerechnet wird.
Im Rahmen des sog. Pflichtteilsergänzungsanspruchs nach § 2325 BGB sind hinsichtlich des Ehegatten einige Besonderheiten zu beachten.
1. Zeitliche Schranke des § 2325 Abs. 3 BGB für Ehegatten nicht zehn Jahre!
Rz. 97
Nicht jede Schenkung, die der Erblasser in seinem Leben gemacht hat, ist pflichtteilsergänzungspflichtig. Das Gesetz sieht in § 2325 Abs. 3 BGB eine zeitliche Schranke von zehn Jahren vor. Sind zurzeit des Erbfalls zehn Jahre seit der Leistung des Gegenstands verstrichen, so bleibt die Schenkung für die Berechnung des Pflichtteils außer Betracht, § 2325 Abs. 3 Hs. 1 BGB.
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Schenkung an den Ehegatten des Erblassers erfolgt. Die Frist beginnt hier nicht vor Auflösung der Ehe, § 2325 Abs. 3 Hs. 2 BGB.
2. Sonderproblem: Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten
Rz. 98
Früher galten unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten, die der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienten, nicht als Schenkung. Häufig wurden derartige Vermögensverschiebungen als ehebedingte, unbenannte Zuwendungen bezeichnet. Die Rspr. sieht in derartigen Zuwendungen aber regelmäßig Schenkungen, es sei denn, es ist eine konkrete Gegenleistung des Ehegatten vorhanden. Allerdings ist ein gewisser Trend zu erkennen, dass der Begriff der Gegenleistung großzügig auszulegen ist. So sollen Zuwendungen, die für den Unterhalt des Ehegatten bestimmt sind, oder ausdrücklich zur Alterssicherung vorgenommen wurden, als Gegenleistung in Frage kommen. Auch dürften Zuwendungen, die zur Vergütung langjähriger Dienste vorgenommen werden, als Gegenleistung einzustufen sein. In der Kautelarpraxis sollten die von den Ehegatten verfolgten Zwecke daher nach Möglichkeit stets klar und nachvollziehbar dokumentiert werden.
Praxishinweis
Keine unentgeltliche Zuwendung ohne Vereinbarung einer Gegenleistung!
Die Zehn-Jahres-Frist des § 2325 Abs. 3 BGB beginnt mit der "Leistung" des verschenkten Gegenstands zu laufen.
Leistung bedeutet bei beweglichen Sachen der Übergang des Eigentums, bei Grundstücken die Umschreibung im Grundbuch. Die Sicherung des Übereignungsanspruchs durch Auflassungsvormerkung ist nicht ausreichend.
Vorsicht bei Vorbehalten wegen fehlenden Genussverzichtes!
Ist die Umschreibung im Grundbuch rechtzeitig, d.h. zehn Jahre vor dem Erbfall vollzogen, hat der Schenker das Grundstück jedoch aufgrund vorbehaltenen dinglichen Rechts oder schuldrechtlicher Vereinbarung selbst weiter genutzt, so ist die Schenkung gleichwohl ergänzungspflichtig. Die Rspr. verlangt nämlich, dass der Schenker einen spürbaren Vermögensverlust schon so erlitten hat, dass er die Folgen selbst noch zehn Jahre lang tragen muss.
Demgemäß ist also erhebliche Vorsicht bei der Vereinbarung von zumindest unentgeltlichen Nutzungsrechten geboten! Die gleiche Interessenlage ergibt sich dann, wenn der Schenker sich den freien Widerruf der Schenkung vorbehalten hat.
Besondere Vorsicht ist bei der Gründung von Oder-Konten oder Oder-Depots geboten, wenn bei der Errichtung ein Ehegatte allein nur Vermögen in das Konto oder Depot einbringt. Nach der Gründung gehört beiden Ehegatten im Zweifel das Guthaben auf dem Oder-Konto/Depot zu gleichen Teilen. Dies bedeutet aber gleichsam, dass in Höhe der Hälfte des Kontobetrags bei Errichtung des Kontos eine unentgeltliche Zuwendung vorliegen kann, die bei der Errechnung der Pflichtteilshöhe zu berücksichtigen ist. Der BFH hat sich hierzu in einem Urt. v. 23.11.2011 zur Schenkungssteuer geäußert und entschieden, dass die Zahlung eines Ehegatten auf ein Gemeinschaftskonto der Eheleute zu einer der Schenkungsteuer unterliegenden Zuwendung an den anderen Ehegatten führen kann. Das Finanzamt müsse jedoch anhand objektiver Tatsachen nachweisen, dass der nicht einzahlende Ehegatte im Verhältnis zum einzahlenden Ehegatten tatsächlich und rechtlich frei zur Hälfte über das eingezahlte Guthaben verfügen kann, so der BFH. Zur Klärung dieser Frage wurde das zugrunde liegende Verfahren an das Finanzgericht zurückverwiesen. Werden also von dem Oder-Konto gemeinsame Lebenshaltungskosten bestritten, dürfte es sich nicht um eine Schenkung handeln.