Dr. Michael Bonefeld, Katrin Heindl
Rz. 6
Überraschenderweise werden in Scheidungsvereinbarungen zwar regelmäßig Pflichtteilsverzichte aufgenommen, dabei aber die Reichweite von quasi "erbrechtlichen Unterhaltsansprüchen" völlig übersehen.
Aufgrund der §§ 1615, 1360a Abs. 3 BGB gehen nämlich sämtliche Unterhaltsansprüche verheirateter Ehegatten und Verwandter mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen unter, sofern nicht ausnahmsweise der gesetzliche Unterhaltsanspruch geschiedener Ehegatten sowie der Ausschluss des Ehegattenerbrechts nach § 1933 BGB gegeben ist.
Rz. 7
In den letztgenannten Fällen geht die Unterhaltsverpflichtung auf die Erben über, wobei die Erbenhaftung auf die Höhe des fiktiven kleinen Pflichtteils nach § 1586b BGB beschränkt ist. Die Vorschrift des § 1586b BGB dürfte allerdings nur dann praktische Bedeutung haben, wenn der Unterhaltverpflichtete erhebliches Vermögen hinterlässt.
Der BGH hat in seinen Entscheidungen vom 29.11.2000 und 18.7.2007 festgestellt, dass in die Berechnung der Haftungsgrenze des § 1586b Abs. 1 S. 3 BGB die fiktiven Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen den Erben einzubeziehen sind. Bei der Berechnung dieses fiktiven Pflichtteils zur Bemessung der Haftungsquote bleiben güterrechtliche Besonderheiten unberücksichtigt (§ 1586b Abs. 2 BGB). Die Erbteilserhöhung des § 1371 BGB spielt keine Rolle. Für die Berechnung wird somit der Fortbestand der geschiedenen Ehe bis zum Tod des Verpflichteten fingiert.
Rz. 8
Bis dato höchstrichterlich ungeklärt bleibt die Frage, wie sich ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht des Unterhaltsberechtigten auswirkt, der während bestehender Ehe erklärt wurde. Die bisher wohl h.M. befürwortete einen Verlust des Unterhaltsanspruchs bei Vorliegen eines Erb- oder Pflichtteilverzichts. Dieser Ansicht kann jedoch nicht uneingeschränkt gefolgt werden.
Konsequenterweise dürfte die Erbenhaftung nach § 1586b BGB nicht durch einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht, der vor oder während bestehender Ehe erklärt wurde, entfallen, weil unterhaltsrechtliche Konsequenzen von den Ehegatten bei der Unterzeichnung des Pflichtteilsverzichtsvertrags regelmäßig nicht bedacht werden, zumal sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestehen. Außerdem enthält die Vorschrift des § 1586b BGB keinen erbrechtlichen, sondern einen rein unterhaltsrechtlichen Anspruch, der lediglich zur Bemessung des Haftungsrahmens auf die Höhe eines fiktiven Pflichtteils verweist. Auch ohne einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht hat der unterhaltsberechtigte überlebende Ehegatte nach der Scheidung keinen Pflichtteilsanspruch mehr – wohl aber einen Unterhaltsanspruch.
Rz. 9
Ebenso ungeklärt ist die Frage, ob § 1586b BGB auch auf vertraglich vereinbarte Unterhaltspflichten anwendbar ist. Wird die gesetzliche Unterhaltspflicht lediglich durch die vertragliche Regelung näher ausgestaltet, findet § 1586b Abs. 1 S. 1 BGB analoge Anwendung. Wurden jedoch starke Abweichungen von der gesetzlichen Unterhaltspflicht zwischen den Parteien neu geregelt, wird wohl § 1586b BGB nicht anwendbar sein.
Rz. 10
Praxishinweis
Diese unsichere Rechtslage hat für die Scheidungsfolgenvereinbarung erhebliche Auswirkungen. Dementsprechend sollte in eine Scheidungsvereinbarung immer dann eine zusätzliche Regelung im Hinblick auf § 1586b BGB aufgenommen werden, wenn die Unterhaltsansprüche mit dem Tod des Unterhaltspflichtigen erlöschen sollen. Angesichts der Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen und Scheidungsfolgenvereinbarungen ist jedoch ungeklärt, zu welchem Kernbereich § 1586b BGB gehört und inwieweit überhaupt Modifikationen möglich sind.
Formulierungsbeispiel
Mit dem Tod des zuerst versterbenden Unterhaltsverpflichteten sollen sämtliche Unterhaltsansprüche erlöschen, wobei die Anwendbarkeit der § 1586b BGB sowie § 1933 S. 3 BGB ausdrücklich ausgeschlossen wird.
Rz. 11
Ist dagegen beabsichtigt, dass die Unterhaltsansprüche nicht erlöschen, muss selbstverständlich differenziert werden, indem klargestellt wird, dass der Überlebende im Fall des Todes des Verpflichteten so gestellt werden soll, als ob der Pflichtteilsverzicht nicht erklärt worden wäre und Unterhaltsansprüche gem. §§ 1586b, 1933 S. 3 BGB ausdrücklich nicht ausgeschlossen werden.
Rz. 12
Sofern der Unterhalt abweichend von der gesetzlichen Regelung im Rahmen der Scheidungsvereinbarung erfolgen soll, ist vorsorglich anzuraten, dann bzgl. eines Erbvertrags eine zusätzliche Regelung zu treffen, durch die die Erben dem früheren Ehegatten so zur Zahlung verpflichtet sind, als ob fiktiv §§ 1586b, 1933 S. 3 BGB weiterhin anwendbar wären. Die Erben sollten also mit einem Vermächtnis zugunsten des Unterhaltsberechtigten beschwert werden, sofern diese Lösung gewünscht wird.
Inwieweit ein derartiger Unterhaltsverzicht aufgrund der Entscheidung des BGH vom 11.2.2004 auch der Inhaltskontrolle unterliegt, ist noch nicht geklärt, da das Gericht hierüber nicht zu entscheiden hatte. Nach der hier vertreten Auffassung unterliegt auch eine Regelung über § 1586b BGB der Inhaltskontrolle...