Rz. 92
Zahlreiche auf dem Markt befindliche D&O-Policen sehen eine Nachhaftung vor, wenn der Haftpflichtanspruch erst nach Vertragsbeendigung, aber innerhalb der vertraglich vereinbarten Nachhaftungszeit geltend gemacht wird. Das Anspruchserhebungsprinzip führt generell dazu, dass ein Anspruch, der nach Vertragsbeendigung gegen die versicherte Person geltend gemacht wird, grundsätzlich nicht gedeckt ist, selbst wenn die Pflichtverletzung während der Vertragslaufzeit begangen worden ist. Wegen der fünfjährigen Verjährungsfrist von Innenansprüchen (vgl. § 93 Abs. 6 AktG bzw. § 43 Abs. 4 GmbHG), die insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften auf zehn Jahre verlängert worden ist durch das Restrukturierungsgesetz vom 14.12.2010 (siehe auch Rdn 6), besteht daher die Gefahr von Deckungslücken. Diese Gefahren können durch die sog. Nachhaftung reduziert werden. Der Flexibilität der Vertragsgestaltung sind dabei – sieht man einmal von den vom OLG München aufgezeigten Grundsätzen (dazu sogleich) ab – kaum Grenzen gesetzt: Teilweise gewähren D&O-Versicherer eine (automatische) prämienfreie Nachhaftung, teilweise wird die Nachhaftung nur gegen einen Teil der zuvor gezahlten Prämien – so das GDV-Modell bis 2011– angeboten. Bisweilen finden sich automatisch eintretende Nachhaftungszeiten mit unterschiedlichen Zeiträumen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Einzelne Versicherer machen die Nachhaftung gar davon abhängig, dass der Versicherer den Vertrag – aus einem anderen Grund als Zahlungsverzug – gekündigt hat.
Zu Einzelheiten der Ziff. A-5.3 AVB-D&O (Anspruchserhebungen nach Vertragsende (Nachmeldefrist) wird zunächst auf die Modellbedingungen bis 2011 verwiesen. Versicherungsschutz bestand bis zum Modell 2011 für die gesamte Nachmeldefrist im Rahmen und nach Maßgabe der bei Ablauf des letzten Versicherungsjahres geltenden Vertragsbestimmungen, und zwar in Höhe des unverbrauchten Teils der Deckungssumme des letzten Versicherungsjahres (Ziff. 3.3 Abs. 4 der Modelle bis 2011). War die Höchstentschädigungssumme bereits erschöpft, lief die Nachhaftung ohnehin leer. Es konnte damit ebenfalls zu Deckungslücken kommen, weil bei längeren Nachhaftungszeiten die Deckung ungewiss war.
Rz. 93
Wiederum in konsequenter Fortentwicklung der vom OLG München 2009 aufgeworfenen Kritikpunkte hat der Gesamtverband reagiert: Erstmals in den Modellbedingungen des Jahres 2011 hat er die – auch in ursprünglichen Modellen unter Ziff. 3.3 mit der Überschrift umschriebene – Klausel: "Nachmeldefrist für Anspruchserhebungen nach Vertragsbeendigung" gegenüber den Ursprungsmodellen (vgl. dazu die 6. Aufl. dieses Werkes) gänzlich abgeändert und völlig neu gefasst. Dabei hat der GDV – wie auch schon in den Vorgängermodellen – den Terminus "Nachmeldefrist" eingeführt, was auch der Klarheit und der Transparenz dient. Auch Klauseln zur "Nachmeldefrist" sind, neben den bereits erwähnten Rückwärtsversicherungen und auch neben Klauseln zur Meldung von Umständen, typische Bestandteile von auf dem Anspruchserhebungsprinzip basierenden Policen und hängen eng mit dem vom OLG München angesprochenen, kritischen Ansatz im Zusammenhang mit der Wirksamkeitskontrolle zusammen. Da bei einem Eingreifen des sog. Verstoßprinzips zeitlich eine unbegrenzte "Nachmeldefrist" besteht, haben versicherte Personen bzw. Versicherungsnehmer einen (gewissen) Nachteil bei Eingreifen des Anspruchserhebungsprinzips. Demzufolge war es – im Hinblick auf den Ansatz des OLG München – wichtig, weitergehende Empfehlungen auch zur Nachmeldefrist für Anspruchserhebungen nach Vertragsbeendigung aufzunehmen. Noch in den Modellbedingungen von 2008 wurde dem Versicherungsnehmer lediglich das Recht eingeräumt, innerhalb eines Monats nach Ablauf des Vertrags gegen Zahlung eines zusätzlichen Betrags die Vereinbarung einer Nachmeldefrist von einem Jahr zu verlangen (unter bestimmten Umständen und nicht in jedem Einzelfall). Fehlen vertraglich vereinbarte Nachmeldefristen oder sind diese nicht hinreichend zugunsten der Versicherungsnehmer strukturiert, können diese den Versicherungsschutz erheblich minimieren und eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB darstellen. Würde etwa bei einem D&O-Versicherungsvertrag eine Nachmeldefrist gänzlich fehlen und läuft die Police aus, wird es für Versicherungsnehmer schwer, einen D&O-Versicherer zu finden, der eine hinreichende Rückwärtsversicherung anbieten wird, verlängert der amtierende Versicherer den Vertrag nicht. Dies bindet Versicherungsnehmer nahezu sklavisch an den "alten" Versicherer. Deshalb sehen die Modelle des Gesamtverbandes ab 2011 eine automatische Nachmeldefrist (zunächst einmal ohne weitere Prämie) vor.
Darüber hinaus hat die Versicherungsnehmerin nach Ziff. A-5.3 Abs. 2 AVB-D&O das Recht, gegen Zahlung eines zusätzlichen Beitrags in Höhe von "… %" des letzten Jahresbeitrags, die Vereinbarung einer weiteren Nachmeldefrist von "… Jahr(en)" zu verlangen. Anders als noch nach dem Mod...