Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 350
Ist die Wirksamkeit einer ausländischen Ehescheidung Vorfrage in einem anderen Verfahren, z.B. in einem Erbscheinsverfahren oder in einem Erbrechtsprozess (z.B. beim gesetzlichen Erbrecht oder Pflichtteilsrecht des Ehegatten), stellt sich die Frage, ob das Scheidungsurteil unmittelbar in Deutschland Wirkung entfaltet oder förmlich anerkannt werden muss.
Handelt es sich um ein Scheidungsurteil nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Brüssel IIa-VO, haben diese Urteile unmittelbare Geltung in Deutschland. Ein Scheidungsurteil nach dem Recht eines anderen Staates muss dagegen mittels Feststellung der zuständigen Landesjustizbehörde förmlich anerkannt werden. Danach kann es als öffentliche Urkunde im Verfahren vorgelegt werden.
Rz. 351
Entbehrlichkeit der förmlichen Anerkennung nach Brüssel IIa-VO:
Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 gilt seit dem 1.8.2004 bzw. seit ihrem Beitritt für alle Mitgliedstaaten der EU verbindlich mit Ausnahme Dänemarks.
Nach Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Brüssel IIa-VO umfassen die Ehesachen alle zivilgerichtlichen Verfahren, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betreffen. Nach Art. 21 Abs. 1 Brüssel IIa-VO erfolgt ein Anerkennungsautomatismus: Die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen werden in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf.
Rz. 352
Grundlage der förmlichen Anerkennung eines Scheidungsurteils von Gerichten anderer Staaten ist seit dem 1.9.2009 die Vorschrift des § 107 FamFG. Zuvor richtete sich die Anerkennung nach Art. 7 § 1 FamRÄndG. Nach § 107 Abs. 1 FamFG entscheidet die Landesjustizverwaltung durch Feststellung der Voraussetzungen über die Anerkennung. Örtlich zuständig ist die Justizverwaltung des Landes, in dem der Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ist eine vorrangige Zuständigkeit nicht gegeben, ist die Justizverwaltung des Landes Berlin zuständig. Die Landesregierungen können die Befugnisse zur Feststellung auf einen oder mehrere OLG-Präsidenten des jeweiligen Bundeslandes übertragen.
Die Entscheidung ergeht nach Antrag und Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses. Lehnt die Justizverwaltung den Antrag ab, kann der Antragsteller beim zuständigen OLG die Entscheidung beantragen. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen oder nicht vorliegen, ist für die Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend. Mit Anerkennung der ausländischen Ehescheidung gilt die Ehe auch für den deutschen Rechtsbereich rückwirkend auf den Zeitpunkt der ausländischen Lösung des Ehebandes als geschieden.