Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 370
Das Nachlassgericht unterrichtet nach Eingang des Antrags gem. Art. 66 Abs. 4 EuErbVO alle weiteren Berechtigten von der Beantragung des Zeugnisses, die der Antragsteller im Antrag genannt hat. Kommt das Nachlassgericht zum Schluss, dass darüber hinaus Berechtigte existieren, muss es mindestens durch öffentliche Bekanntmachung (§ 35 Abs. 3 IntErbRVG i.V.m. §§ 435–437 FamFG) anderen die Möglichkeit geben, ihre Rechte geltend zu machen. Als Berechtigte sind solche Personen anzusehen, die an Stelle des Antragstellers einen Antrag stellen könnten. Das Nachlassgericht hat die so hinzugezogenen Personen nach Art. 66 Abs. 4 EuErbVO anzuhören, falls dies zur Feststellung des Sachverhalts erforderlich ist.
Rz. 371
In Deutschland konkretisiert § 37 IntErbRVG die zu beteiligenden Personen in Anlehnung an § 345 FamFG; an die Stelle des Berechtigten tritt der Beteiligte. Der Antragsteller ist nach § 37 Abs. 1 IntErbRVG Muss-Beteiligter. Alle weiteren Personen sind nach Abs. 2 Kann-Beteiligte, die nur auf ihren Antrag hinzugezogen werden müssen:
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gesetzliche Erben |
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diejenigen, die aufgrund der letztwilligen Verfügung als Erben in Betracht kommen |
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diejenigen, die für den Fall der Unwirksamkeit der letztwilligen Verfügung als Erben in Betracht kommen |
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Vermächtnisnehmer mit unmittelbarer Berechtigung am Nachlass (Vindikationslegat) |
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Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlasspfleger |
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sonstige Personen mit einem berechtigten Interesse. |
Rz. 372
Gemäß Art. 66 Abs. 1 EuErbVO überprüft das Nachlassgericht die vom Antragsteller übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise nach dem Amtsermittlungsgrundsatz. Hat der Antragsteller nicht alle Angaben nachgewiesen, fordert das Gericht ihn zur weiteren Mitwirkung auf. Ist es ihm nicht möglich, weitere Nachweise zu erbringen bzw. die Nachweise in der erforderlichen Form vorzulegen, entscheidet das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen, ob es nicht formgerechte Nachweise ausreichen lässt, Art. 66 Abs. 2 EuErbVO. Das Nachlassgericht kann sich zur Ermittlung des Sachverhalts auch den Auskünften ausländischer Behörden im Wege der Rechtshilfe nach Art. 66 Abs. 5 EuErbVO bedienen, soweit die Behörden nach innerstaatlichem Recht befugt wären, die Auskünfte an andere inländische Behörden zu erteilen (z.B.: Zentrales Testamentsregister, § 78d BNotO; Grundbuch, § 12 GBO; Handelsregister, § 9 HGB; Personenstandsregister, § 65 PStG; Güterrechtsregister, § 1563 BGB).
Rz. 373
Diese Grundsätze werden über § 35 Abs. 1 IntErbRVG i.V.m. §§ 29 f. FamFG ergänzt, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen zum Erbscheinserteilungsverfahren verwiesen werden kann (siehe Rdn 115 ff.). Das bedeutet, dass das Verfahren zur Zeugnisausstellung grundsätzlich im Freibeweisverfahren erfolgt. Ist das Nachlassgericht der Ansicht, dass zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts das Strengbeweisverfahren erforderlich wird, hat es in dieses zu wechseln und eine förmliche Beweisaufnahme nach den Regeln der ZPO durchzuführen.