Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 374
Nach Art. 67 Abs. 1 EuErbVO stellt das Nachlassgericht das Zeugnis aus, wenn nach der jeweilig anzuwendenden Rechtsordnung der zu bescheinigende Sachverhalt feststeht und die Verfahrensvorschriften der Art. 62 ff. EuErbVO eingehalten sind (Antrag, Zuständigkeit und Verfahren). Der umfassende Verweis auf die jeweilige Rechtsordnung bedeutet, dass nicht nur die von der Verordnung erfassten Statute (Erb-, Errichtungs- und Formstatut) gemeint sind, sondern auch diejenigen Vorfragen geklärt sein müssen, auf die sich die Erbrechtsverordnung nicht bezieht (z.B. für das Ehegattenerbrecht der Bestand der Ehe oder für das Verwandtenerbrecht die Wirksamkeit einer Adoption).
Rz. 375
Ob auch der Güterstand des Erblassers Einfluss auf den Inhalt des Zeugnisses hat, geht aus der Erbrechtsverordnung nicht hervor. Erwägungsgrund 12 erklärt, dass es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt:
Zitat
"Dementsprechend sollte diese Verordnung nicht für Fragen des ehelichen Güterrechts, einschließlich der in einigen Rechtsordnungen vorkommenden Eheverträge, soweit diese keine erbrechtlichen Fragen regeln, und des Güterrechts aufgrund von Verhältnissen, die mit der Ehe vergleichbare Wirkungen entfalten, gelten. Die Behörden, die mit einer bestimmten Erbsache nach dieser Verordnung befasst sind, sollten allerdings je nach den Umständen des Einzelfalls die Beendigung des ehelichen oder sonstigen Güterstands des Erblassers bei der Bestimmung des Nachlasses und der jeweiligen Anteile der Berechtigten berücksichtigen."
Rz. 376
In Deutschland ist durch den BGH geklärt, dass § 1371 Abs. 1 BGB (ggf. i.V.m. § 6 S. 2 LPartG), der die Erbquote des überlebenden Ehegatten um ¼ durch den pauschalierten Zugewinnausgleich erhöht, zum Güterrechtsstatut und nicht zum Erbstatut gehört. Da die Erbrechtsverordnung das Güterrecht aus dem Anwendungsbereich herausgenommen hat (Art. 1 Abs. 2 Buchst. d EuErbVO), stellt sich die Frage, ob der pauschalierte Zugewinnausgleich – zumindest informatorisch – in das Europäische Nachlasszeugnis aufzunehmen ist oder nicht. Könnte diese Erhöhung in Deutschland nicht in das Zeugnis aufgenommen werden, würde es nicht die richtigen Erbquoten abbilden und Verwirrung stiften, weil ein zusätzlich erteilter Erbschein andere Erbquoten ausweisen würde. Das KG geht von der Aufnahme des pauschalierten Zugewinnausgleichs in das Zeugnis in seinem Beschluss vom 25.10.2016 zumindest dann aus, wenn sich das Erbstatut und das Güterrechtsstatut nach dem Recht desselben Mitgliedstaates bestimmen. Es hat diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt. Zuvor hatte das Nachlassgericht Schöneberg in Berlin eine Aufnahme des pauschalierten Zugewinnausgleichs in das Zeugnis abgelehnt. Das Verfahren ist derzeit beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-558/16 anhängig.
Rz. 377
Durch Art. 67 Abs. 1 UAbs. 1 EuErbVO wird die Ausstellung des Zeugnisses auf unstreitige Sachverhalte begrenzt: Das Nachlassgericht darf das Zeugnis nicht ausstellen, wenn Einwände gegen den zu bescheinigenden Sachverhalt anhängig sind oder wenn das Zeugnis mit einer Entscheidung zum selben Sachverhalt unvereinbar wäre.
Da die Verordnung nicht bestimmt, in welchem Verfahren die Einwände erhoben werden müssen, können sie die Beteiligten entweder im Ausstellungsverfahren oder in anderen Verfahren, z.B. einem Erbenfeststellungsklageverfahren, erheben. An die Einwände sind keine besonderen inhaltlichen Anforderungen zu stellen, weil sie nach dem Wortlaut nur "anhängig" sein müssen.
Die weitere Alternative bezieht sich darauf, dass bereits eine gegenläufige Entscheidung getroffen worden ist, die eine Zeugnisausstellung verhindert. Hierzu gehören eine zivilgerichtliche Entscheidung über eine Erbenfeststellungsklage sowie ein bereits erteilter Erbschein. Handelt es sich um eine ausländische gegenläufige Entscheidung, kommt es bei Mitgliedstaaten der Verordnung auf die Anerkennung nach Art. 39 ff. EuErbVO und bei Drittstaaten auf eine Anerkennung nach § 108 FamFG an.
Rz. 378
Als Arten von Zeugnissen kommen in Betracht: Das Alleinerben-Zeugnis, das gemeinschaftliche Zeugnis, das Teil-Zeugnis und das gemeinschaftliche Teil-Zeugnis. Das gegenständlich beschränkte Zeugnis analog dem gegenständlich beschränkten Erbschein gibt es hingegen nicht.
Rz. 379
Liegt Entscheidungsreife vor, stellt das Nachlassgericht das Zeugnis aus, § 39 Abs. 1 IntErbRVG. Anders als beim Erbschein (§ 352e Abs. 1 FamFG) ergeht kein Beschluss, mit dem die zur Erteilung des Erbscheins ermittelten Tatsachen als festgestellt erachtet werden. Vielmehr wird die Urschrift des Zeugnisses nur ausgestellt und zur Nachlassakte genommen, in der sie verbleibt. Für das Zeugnis ist ein besonderes Formblatt i.S.v. § 39 Abs. 2 IntErbRVG zu verwenden. Die Ausstellung wird nach § 40 IntErbRVG durch Übersendung der beglaubigten Abschrift bekanntgegeben. Zwar ist eine Rechtsbehelfsbelehrung im Formblatt nicht vorgesehen. Allerdings ist diese der beglaubigten Abschrift beizufügen, weil gegen die Ausstellung...