Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
a) Allgemeines
Rz. 125
Nach § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG ist der Erbschein nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet.
Gegenstände der nachlassgerichtlichen Ermittlungen sind regelmäßig:
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Zuständigkeit des Nachlassgerichts |
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anzuwendendes Erbrecht |
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Tod und Todeszeitpunkt des Erblassers |
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Staatsangehörigkeit des Erblassers (z.B. zur Ermittlung der internationalen oder örtlichen Zuständigkeit bzw. des anwendbaren Erbstatuts) |
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Familienstand des Erblassers (im Hinblick auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht oder das Erbrecht nichtehelicher oder adoptierter Abkömmlinge) |
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Güterstand eines verheirateten Erblassers (im Hinblick auf §§ 1931, 1371 BGB) |
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Wegfall vorrangiger Erben (z.B. für die gesetzliche Erbenstellung entfernter Verwandter oder Ersatzerbenstellung bei der testamentarischen Erbfolge) |
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das Vorhandensein einer letztwilligen Verfügung |
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Testierfähigkeit des Erblassers, falls Anhaltspunkte für eine etwaige Testierunfähigkeit vorliegen (§ 2229 Abs. 4 BGB) |
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Echtheit der letztwilligen Verfügung |
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Auslegung der letztwilligen Verfügung. |
b) Testierfähigkeit
aa) Amtsermittlungspflicht des Nachlassgerichts
(1) Allgemeines
Rz. 126
Das Nachlassgericht muss Ermittlungen zur Testierfähigkeit des Erblassers nur dann anstellen, wenn nach § 2229 Abs. 4 BGB Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit vorliegen. Denn die Testierunfähigkeit ist ein Ausnahmetatbestand zu der vermuteten Testierfähigkeit von Personen, die ihr 16. Lebensjahr vollendet haben, § 2229 Abs. 1 BGB. Der Erblasser wird solange als testierfähig angesehen, wie nicht das Gegenteil bewiesen ist. Bei nicht behebbaren Zweifeln muss von der Testierfähigkeit ausgegangen werden.
Rz. 127
Das OLG Düsseldorf hat den Verfahrensablauf bei der Ermittlung der Testierunfähigkeit eines Erblassers instruktiv dargestellt:
Zitat
"Die Klärung der im Wesentlichen auf dem Gebiet des Tatsächlichen angesiedelten Frage, ob die Voraussetzungen der Testierunfähigkeit bei dem Erblasser (hier: zur Zeit der Errichtung der notariellen Testamente am 8.9.2009) gegeben waren, verlangt vom Gericht, die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers aufzuklären, sodann Klarheit über den medizinischen Befund zu schaffen und anschließend die hieraus zu ziehenden Schlüsse zu prüfen (vgl. Hamm OLGZ 1989, 271; Frankfurt NJW-RR 1996, 1159; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Auflage 2013, § 2229 Rn 11). Bestehen dann weiter Zweifel an der Testierfähigkeit (KG FamRZ 2000, 912), sind diese regelmäßig durch das Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen zu klären (BayObLG FamRZ 2001, 55), wobei der Sachverständige anhand von Anknüpfungstatsachen den medizinischen Befund nicht nur festzustellen, sondern vor allem dessen Auswirkungen auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers zu klären hat (BayObLG FamRZ 2002, 1066; vgl. auch Senat, NJW-RR 2012, 1100)."
Rz. 128
Danach stellt sich der Verfahrensablauf zusammengefasst wie folgt dar:
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Zunächst muss das Nachlassgericht die auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers ermitteln und hierzu sämtliche Beweise im Frei- oder Strengbeweisverfahren erheben. |
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Danach ist zu prüfen, ob die so ermittelten Tatsachen bereits ausreichen, um Rückschlüsse auf eine Erkrankung ziehen zu können bzw. existierende Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers auszuräumen. |
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Dies ist regelmäßig nicht der Fall, sodass das Nachlassgericht ein Gutachten eines psychiatrischen oder nervenärztlichen Sachverständigen einholen muss. Das Gutachten hat nicht nur den medizinischen Befund anhand der Anknüpfungstatsachen darzustellen, sondern explizit auch die Auswirkungen der Erkrankung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers. |
(2) Ermittlung der auffälligen Verhaltensweisen
Rz. 129
Zur Ermittlung der auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers kann sich das Nachlassgericht sämtlicher zur Verfügung stehender Beweismittel bedienen. Der Umfang der gebotenen Ermittlung unterliegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.
Rz. 130
Erste Auffälligkeiten, die das Nachlassgericht selbstständig überprüfen kann, können sich aus dem eröffneten Testament ergeben: unleserliche Schrift, Verwendung einer auffallend großen Schrift, Schreibmaterial, verwendeter Untergrund, wunderliche Formulierungen etc.
Oftmals werden zum Nachweis auffälliger Verhaltensweisen Einschätzungen und Zusammentreffen von Verwandten und Freunden des Erblassers mit diesem von den Beteiligten vorgetragen, sodass das Nachlassgericht sie als Zeugen vernehmen kann.
Rz. 131
Ist die Verfügung von Todes wegen, deren Wirksamkeit angezweifelt wird, von einem Notar beurkundet worden, hilft § 28 BeurkG in aller Regel weiter. Danach hat der Notar Feststellungen zur Geschäfts- bzw. Testierfähigkeit zu treffen. Er muss sich den Gesamteindruck vom Testator nicht nur in einem Vorgespräch verschaffen...