Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
a) Allgemeines
Rz. 171
Über einen Erbscheinsantrag kann das Nachlassgericht wie folgt entscheiden:
1. |
Bei unstreitigem Verfahren: Das Nachlassgericht erlässt den Erbschein als Feststellungsbeschluss und erteilt dem Antragsteller den Erbschein durch Übersendung einer Ausfertigung. |
2. |
Bei streitigem Verfahren: Die Wirksamkeit des Feststellungsbeschlusses wird ausgesetzt, den Beteiligten bekannt gegeben und die Erteilung des Erbscheins durch Übersendung an den Antragsteller wird bis zur Rechtskraft des Beschlusses (Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist) zurückgestellt. |
3. |
Erlass einer Zwischenverfügung bei behebbaren Mängeln (analog § 18 GBO). |
4. |
Zurückweisung des Erbscheinsantrags bei unbehebbaren Mängeln. |
b) Bei unstreitigem Verfahren: Erlass des Feststellungsbeschlusses
Rz. 172
Das Nachlassgericht hat den Erbschein gem. § 352e Abs. 1 S. 1 FamFG zu erteilen, wenn es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Das Gericht entscheidet durch einen Feststellungsbeschluss, der mit Erlass wirksam wird. Einer Bekanntgabe des Beschlusses, wie es § 40 Abs. 1 FamFG grundsätzlich vorsieht, bedarf es bei der Erbscheinserteilung nicht, § 352e Abs. 1 S. 3 FamFG.
Rz. 173
Der Inhalt des Beschlusses ergibt sich aus § 38 Abs. 2 FamFG: Das Nachlassgericht stellt fest, dass es die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen als festgestellt erachtet, und bezeugt, dass der Erblasser vom Erben beerbt worden ist. Dieser Beschluss verbleibt in der Nachlassakte.
Rz. 174
Das Nachlassgericht erteilt danach den Erbschein an den Antragsteller, indem es ihm eine Ausfertigung des Erbscheins übersendet. Der Feststellungsbeschluss verbleibt in der Nachlassakte. Nach § 47 BeurkG vertritt die Ausfertigung die Urschrift im Rechtsverkehr.
Rz. 175
Weitere Personen, die ein Interesse am Ausgang des Erbscheinserteilungsverfahrens haben, aber keine Beteiligten des Verfahrens sind (z.B. weitere Miterben, die nicht als Antragsteller auftreten), können vom Nachlassgericht nach § 15 Abs. 3 FamFG vom Verfahrensausgang formlos unterrichtet werden.
c) Bei streitigem Verfahren: Feststellungsbeschlusses mit ausgesetzter Wirksamkeit
Rz. 176
In den allermeisten Verfahren wird der Erbschein wie beantragt erteilt, weil allein der Antragsteller Beteiligter ist. Ist dagegen die Erbfolge zwischen Erbprätendenten streitig und stellt ein Erbprätendent einen Erbscheinsantrag, wird der andere Erbprätendent sich am Verfahren beteiligen und der Erbscheinserteilung widersprechen.
Für diese Konstellation sieht § 352e Abs. 2 FamFG Besonderheiten bei der Erteilung des Erbscheins vor: Widerspricht der Beschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten, ist der Beschluss allen Beteiligten förmlich nach § 41 Abs. 1 FamFG bekanntzugeben, die sofortige Wirksamkeit auszusetzen und die Erteilung des Erbscheins an den Antragsteller bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückzustellen. Auch substanzlose Einwendungen führen zur Zurückstellung des Erbscheins, weil die Norm keine Anforderungen an den geäußerten Willen des Beteiligten stellt. Materiell entspricht ein derartiger Beschluss dem früheren "Vorbescheid".
Rz. 177
Die Wirksamkeit des Beschlusses tritt mit seiner Rechtskraft ein. Nach § 63 Abs. 1 FamFG beträgt die Beschwerdefrist einen Monat und beginnt nach § 63 Abs. 3 FamFG mit der Bekanntgabe des Beschlusses an die Beteiligten. Kann der Beschluss nicht an einen Beteiligten bekannt gegeben werden, beginnt die Frist spätestens nach fünf Monaten ab Erlass des Beschlusses zu laufen. Daraus folgt, dass der Erbschein spätestens sechs Monate nach Erlass des Feststellungsbeschlusses erteilt wird, wenn kein Beteiligter Beschwerde gegen den Beschluss einlegt.
Rz. 178
Zwar sieht § 17 Abs. 1 FamFG die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand für alle FG-Verfahren vor, wenn ein Beteiligter ohne sein Verschulden gehindert ist, die Beschwerdefrist einzuhalten und einen diesbezüglichen Wiedereinsetzungsantrag stellt. Allerdings wird der Erbschein nach Ablauf der Beschwerdefrist erteilt und dem Antragsteller eine Ausfertigung des Erbscheins übermittelt, auf deren Grundlage er Vermögensverfügungen vornehmen kann. Aus diesem Grund kann einem Wiedereinsetzungsantrag nur entsprochen werden, wenn der Antragsteller die Ausfertigung des Erbscheins noch nicht erhalten hat. Ein verspäteter Antrag ist deswegen in die Anregung zur Einziehung des Erbscheins nach § 2361 BGB umzudeuten.
Rz. 179
Hat der weitere Erbprätendent es nicht bei Einwendungen gegen den Erbscheinsantrag belassen und einen gegenläufigen Erbscheinsantrag gestellt, erlässt das Nachlassgericht zunächst einen Feststellungsbeschluss bezüglich des Antrags, dem es stattgeben möchte. Ist der Beschluss nach Fristablauf in Rechtskraft erwachsen, weist es den zurückgestellten gegenläufigen Antrag zurück und erteilt den Erbschein durch Übersendung der Ausfertigung.
d) Zwischenverfügung
Rz. 180
Ist der gestellte Erbscheinsantrag mangelhaft und sind die Mängel heilbar, hat das Nachlassgericht in Anlehnung an § 18 GBO eine Zwischenverfügung zu erlassen und dem Antragsteller Gelegenhei...