Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
I. Zuständigkeit
1. Sachliche Zuständigkeit
Rz. 33
Sachlich zuständig für die Erteilung eines Erbscheins ist das Amtsgericht als Nachlassgericht, § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 GVG und § 342 Abs. 1 Nr. 6 FamFG. In Baden-Württemberg wurden die bestehenden staatlichen Notariate zum Ablauf des 31.12.2017 aufgelöst. An ihre Stelle treten die freien Notariate. Damit einher geht die Abgabe der bisherigen gerichtlichen Zuständigkeiten an die Amtsgerichte, sodass auch in Baden-Württemberg allein das Amtsgericht nunmehr sachlich für die Erbscheinserteilung zuständig ist.
2. Örtliche Zuständigkeit
Rz. 34
In der ab dem 17.8.2015 geltenden Fassung des § 343 Abs. 1 FamFG wurde der Wohnsitz bzw. der Aufenthalt des Erblassers als Anknüpfung für die örtliche Zuständigkeit aufgegeben und durch den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes ersetzt.
Unter "Aufenthalt" ist jegliche tatsächliche Anwesenheit an einem Ort – gleichgültig, ob vorübergehend oder von längerer Dauer – zu verstehen. Aufgrund der Eingrenzung auf den "gewöhnlichen" Aufenthalt ist dieses Verständnis jedoch zu umfassend. Mit dem gewöhnlichen Aufenthalt ist allein der Lebensmittelpunkt einer Person gemeint, also der Schwerpunkt seiner familiären, sozialen oder beruflichen Beziehung.
Aus Gründen einer einheitlichen Rechtsanwendung soll, soweit der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der EuErbVO gefolgt wird, der gewöhnliche Aufenthalt i.S.v. Art. 4 EuErbVO und § 343 Abs. 1 FamFG einheitlich beurteilt werden, sodass auch die Erwägungsgründe 23–25 zur EuErbVO zur Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts herangezogen werden können (vgl. internationale Zuständigkeit, Rdn 266 ff.).
Rz. 35
Hatte der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist nach § 343 Abs. 2 FamFG das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen vorherigen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Aus dem Wortlaut ergibt sich keine Eingrenzung auf einen bestimmten Zeitraum, sodass der letzte gewöhnliche Aufenthalt auch Jahrzehnte zurückliegen kann (bspw. 50 Jahre).
Rz. 36
Nach § 343 Abs. 3 FamFG wird die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Schöneberg in Berlin begründet, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger ist und keine Zuständigkeit nach Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegt. Das Amtsgericht Schöneberg ist auch örtlich zuständig, wenn der Erblasser Ausländer ist, sich allerdings Nachlassgegenstände in Deutschland befinden und weder nach Abs. 1 noch nach Abs. 2 eine Zuständigkeit ermittelt werden kann.
Das Amtsgericht Schöneberg kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht mit bindender Wirkung verweisen, wenn es die eigene Zuständigkeit geprüft und bejaht hat. Ein wichtiger Grund liegt nicht bereits vor, wenn bei einem deutschen Erblasser Nachlassgegenstände in einem anderen Gerichtsbezirk belegen sind. Ein formularmäßiger Verweisungsbeschluss ohne Auseinandersetzung mit dem Einzelfall entfaltet keine Bindungswirkung.
Verneint das Amtsgericht Schöneberg bereits seine örtliche Zuständigkeit, hat es von Amts wegen über die Verweisung an das zuständige Gericht zu entscheiden.
Rz. 37
Neben diesen Regelungen der örtlichen Zuständigkeit sind folgende drei allgemeine Grundsätze stets zu beachten:
3. Funktionelle Zuständigkeit
Rz. 38
Nach § 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG bleibt die Erteilung eines Erbscheins dem Richter vorbehalten, wenn eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder die Anwendung ausländischen Rechts in Betracht kommt. Der Rechtspfleger ist zuständig, wenn der Erbschein auf der Grundlage gesetzlicher Erbfolge erteilt werden soll und die Anwendung ausländischen Rechts nicht in Betracht kommt, §§ 3 Nr. 2 Buchst. c, 16 Abs. 1 Nr. 6 RPflG.
§ 16 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 RPflG befähigt den Richter, die Erteilung eines Erbscheins auf einen Rechtspfleger zu übertragen, wenn trotz des Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen die gesetzliche Erbfo...