Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
aa) Übergangsregelungen
Rz. 292
Für Erbfälle ab dem 17.8.2015 ist die Erbrechtsverordnung zur Bestimmung des Erbstatuts heranzuziehen, Art. 83 Abs. 1 EuErbVO.
Hat der Erblasser bereits im Zeitraum ab Inkrafttreten der Verordnung am 16.8.2012 bis zum Ablauf des 16.8.2015 in einer letztwilligen Verfügung eine Rechtswahl getroffen, bleibt sie nach Art. 83 Abs. 2 EuErbVO wirksam, wenn die Voraussetzungen des Kapitels III (insb. Art. 22 EuErbVO) erfüllt sind oder wenn sie nach dem zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden IPR in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Erblasser besaß oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wirksam ist.
Rz. 293
Hat der Erblasser in diesem Zeitraum eine wirksame letztwillige Verfügung errichtet, ohne das Erbstatut seiner Staatsangehörigkeit gewählt zu haben, wird nach Art. 83 Abs. 4 EuErbVO eine wirksame Rechtswahl fingiert, wenn er in einen anderen Staat umziehen sollte, was ansonsten einen Wechsel des Erbstatuts zur Folge hätte.
bb) Grundsatz der Nachlasseinheit
Rz. 294
Eines der Ziele der Erbrechtsverordnung ist die Verwirklichung des Grundsatzes der Nachlasseinheit, also Nachlassspaltungen in bewegliches und unbewegliches Vermögen oder nach dem Belegenheitsort des unbeweglichen Vermögens zu verhindern. Dieses Ziel wurde mit Art. 23 EuErbVO für das Erbstatut umgesetzt, der die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen entweder dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers (Art. 21 EuErbVO) oder des durch ihn gewählten Rechts (Art. 22 EuErbVO) unterwirft.
Hierzu heißt es in Erwägungsgrund 37 der EuErbVO:
Zitat
"Damit die Bürger die Vorteile des Binnenmarkts ohne Einbußen bei der Rechtssicherheit nutzen können, sollte die Verordnung ihnen im Voraus Klarheit über das in ihrem Fall anwendbare Erbstatut verschaffen. Es sollten harmonisierte Kollisionsnormen eingeführt werden, um einander widersprechende Ergebnisse zu vermeiden. Die allgemeine Kollisionsnorm sollte sicherstellen, dass der Erbfall einem im Voraus bestimmbaren Erbrecht unterliegt, zu dem eine enge Verbindung besteht. Aus Gründen der Rechtssicherheit und um eine Nachlassspaltung zu vermeiden, sollte der gesamte Nachlass, d.h. das gesamte zum Nachlass gehörende Vermögen diesem Recht unterliegen, unabhängig von der Art der Vermögenswerte und unabhängig davon, ob diese in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat belegen sind."
Rz. 295
Nach Art. 23 Abs. 2 EuErbVO, der keine abschließende Aufzählung enthält, umfasst das anzuwendende Erbstatut folgende Regelungsbereiche:
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Gründe für den Eintritt des Erbfalls sowie dessen Zeitpunkt und Ort, |
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Berufung der Berechtigten, Bestimmung ihrer Anteile und auferlegter Pflichten sowie ihrer sonstigen Rechte am Nachlass, einschließlich der Ansprüche überlebender Ehegatten und Lebenspartner, |
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Erbfähigkeit, |
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Enterbung und Erbunwürdigkeit, |
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Übergang des Nachlassvermögens auf Erben und Vermächtnisnehmer, einschließlich der Annahme und Ausschlagung, |
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Rechte von Testamentsvollstreckern und anderer Nachlassverwalter zur Veräußerung von Vermögen und Befriedigung von Gläubigern, |
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Erbenhaftung, |
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Beschränkungen der Testierfreiheit wie z.B. Pflichtteil, |
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Ausgleichung und Anrechnung unentgeltlicher Zuwendungen, |
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Teilung des Nachlasses. |
cc) Vorrang völkerrechtlicher Verträge
Rz. 296
Art. 75 Abs. 1 EuErbVO macht von dem verfolgten Ziel der Vereinheitlichung des Kollisionsrechts Ausnahmen: Internationale Übereinkommen bleiben unberührt, denen die Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme der EuErbVO angehören und die Bereiche betreffen, die in der Verordnung geregelt sind. Hierzu gehören für Deutschland:
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deutsch-iranisches Niederlassungsabkommen von 1929 |
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deutsch-türkisches Nachlassabkommen von 1929 |
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deutsch-sowjetischer Konsularvertrag von 1958. |
Rz. 297
Das deutsch-iranische Niederlassungsabkommen von 1929 enthält in Art. 8 Abs. 3 eine besondere Kollisionsnorm für das Erbrecht. Danach wird auf Erbfälle in einem Staat das Recht des jeweiligen anderen Staates angewandt, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehörte. Stirbt ein deutscher Staatsangehöriger also im Iran, richtet sich der Erbfall nach deutschem Erbrecht. Stirbt ein Iraner in Deutschland, kommt iranisches Erbrecht zur Anwendung.
Rz. 298
Das deutsch-türkische Nachlassabkommen von 1929 regelt das anzuwendende Recht für Erbfälle deutscher und türkischer Staatsangehöriger, die nach dem Tod Nachlassvermögen im jeweiligen anderen Staat hinterlassen. Ob davon auch in einem Drittstaat belegendes Nachlassvermögen umfasst ist, ist umstritten.
Das Abkommen sieht in § 14 eine Nachlassspaltung vor: Für bewegliches Nachlassvermögen gilt das Recht des Staates, dem der Erblasser im Todeszeitpunkt angehört hat; auf unbewegliches Nachlassvermögen findet das Recht des Staates Anwendung, in dem es belegen ist.
Rz. 299
Exkurs: Nach § 15 des Abkommens sind Klagen zu beweglichem Vermögen, die die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche, Vermächtnisansprüche oder Pflichtteilsansprüche zum Gegenstand haben, vor dem Gericht des Staates geltend zu machen, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte. Klagen im Hi...