Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
aa) Übergangsregelungen
Rz. 312
Die Erbrechtsverordnung enthält nunmehr das maßgebliche Kollisionsrecht zur Bestimmung des Errichtungsstatuts.
Im Zeitraum zwischen dem 16.8.2012 und 16.8.2015 errichtete letztwillige Verfügungen bleiben zulässig und wirksam, wenn sie den Voraussetzungen des Kapitels III (Art. 20–38 EuErbVO) entsprechen oder wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung geltenden Vorschriften des IPR in dem Staat, in dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, zulässig sowie wirksam sind, Art. 83 Abs. 3 EuErbVO.
bb) Reichweite des Errichtungsstatuts
Rz. 313
Errichtet der Erblasser eine letztwillige Verfügung mit Auslandsberührung, stellt sich die Frage, welche Regelungsbereiche zum Errichtungsstatut gehören. Zum Errichtungsstatut gehören die Zulässigkeit und Wirksamkeit eines Testaments sowie beim Erbvertrag und gemeinschaftlichen Testament zusätzlich die Bindungswirkung und die Voraussetzung der Auflösung.
Rz. 314
Die Erbrechtsverordnung unterscheidet explizit zwischen der Zulässigkeit und Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung. Gemeint ist bei der Zulässigkeit und Wirksamkeit die Frage, ob sich der Erblasser zur Änderung der gesetzlichen Erbfolge des Mittels einer letztwilligen Verfügung bedienen kann. Das Wie der Errichtung ist Frage des Formstatuts. Die Zulässigkeit des Testaments und des Erbvertrages werden von Art. 24 und 25 EuErbVO vorausgesetzt.
Rz. 315
Zur Zulässigkeit gehört nicht die Frage, mittels gemeinschaftlichen Testaments testieren zu können. Die Verordnung versteht unter einem gemeinschaftlichen Testament nur ein von zwei oder mehreren Personen in einer einzigen Urkunde errichtetes Testament, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EuErbVO. Die Möglichkeit, Verfügungen von mehreren Personen in einer Urkunde zusammenzufassen, betrifft die Art und Weise der Testamentserrichtung und damit das Formstatut. Allein das Ob der Errichtung einer letztwilligen Verfügung unterfällt dem Errichtungsstatut. Kollisionsrechtlich enthalten die Art. 1, 4 HTestformÜ eigene Bestimmungen zum Formstatut. Im Übrigen gilt für Mitgliedstaaten, die nicht Mitglied des Haager Testamentsformübereinkommens sind, nunmehr abschließend Art. 27 EuErbVO. Aus diesem Grund verbleibt kein Raum für autonome nationale Regelungen, die die Zulässigkeit eines gemeinschaftlichen Testaments als Frage der inhaltlichen Wirksamkeit (z.B. Italien und Griechenland) oder der Form (z.B. Frankreich, Niederlande, Luxemburg, Belgien, Polen, Rumänien, Ungarn und Slowakei) behandeln bzw. allgemein zur Qualifikation auf das Errichtungsstatut verweisen (wohl h.M. in Deutschland).
Die für den deutschen Rechtsanwender wichtige Frage, welche Bindungswirkung einem gemeinschaftlichen Testament nach deutschem Recht zukommt, ist dagegen Gegenstand des Errichtungsstatuts und von der Form zu trennen.
Rz. 316
Art. 26 Abs. 1 Buchst. a–e EuErbVO verweist zur Bestimmung des Errichtungsstatuts auf Art. 24 EuErbVO (Testament) sowie auf Art. 25 EuErbVO (Erbvertrag) und benennt nicht abschließend die Reichweite der materiellen Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung:
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Testierfähigkeit der Person, die die Verfügung errichtet |
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Zuwendungsverbote für Notare oder der Nachfolgeregelungen zu § 14 HeimG |
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Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung einer Verfügung |
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Auslegung von Verfügungen |
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Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Willensmängeln bei der Errichtung einer Verfügung (z.B. Anfechtbarkeit oder Unwirksamkeit). |
Rz. 317
Art. 26 Abs. 2 EuErbVO regelt den Fall, dass ein Erblasser, der durch Errichtung einer letztwilligen Verfügung seine Testierfähigkeit ausgeübt hat, diese nicht durch einen Statutenwechsel verliert und die letztwillige Verfügung weiterhin widerrufen oder ändern kann.
cc) Errichtung, Widerruf und Änderung eines Testaments
Rz. 318
Art. 24 Abs. 1 EuErbVO knüpft an das sog. hypothetische Erbstatut an: Zulässigkeit und Wirksamkeit eines Testaments richten sich nach dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbaren Recht, wenn der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments verstorben wäre. Daher wird über Art. 21 EuErbVO an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers oder subsidiär an die offensichtlich engere Verbindung angeknüpft. Die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Errichtung des Testaments führt zu einer fortgeltenden Zulässigkeit und Wirksamkeit des Testaments für den Fall der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland. Das Errichtungsstatut versteinert.
Rz. 319
Art. 24 Abs. 2 EuErbVO eröffnet die Möglichkeit einer Rechtswahl der anwendbaren Rechtsordnung unter den Voraussetzungen des Art. 22 EuErbVO. Danach kann der Erblasser zwar das Recht seiner Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes wählen. Beide Zeitpunkte fallen jedoch zusammen, weil es allein auf das hypothetische Erbstatut ankommt, also allein auf den Zeitpunkt der Errichtung selbst. Das bedeutet, dass der Erblasser keinen künftigen Zeitpunkt wählen kann.
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