Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
(1) Demenzerkrankung
Rz. 140
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.6.2015
Das OLG Düsseldorf hat festgestellt, dass ein Sachverständigengutachten ohne Angabe der konkreten Verhaltensweisen keine Rückschlüsse auf eine Demenzerkrankung zulasse und deswegen die Feststellung einer Testierunfähigkeit des Erblassers nicht rechtfertige:
Zitat
"Das Fazit: "Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ist deshalb davon auszugehen, dass Herr M. seit Januar 2009 nicht mehr in vollem Umfang geistig orientiert und daher nicht mehr testierfähig war" (E-Gutachten Seite 10) basiert hiernach nicht auf belastbaren Feststellungen. Insbesondere sind aus der nicht dem Grade nach verlässlich eingeordneten konstatierten Demenz keine Defizite abgeleitet, die einen durchgehenden Ausschluss der Testierfähigkeit in dem fraglichen Zeitraum – nach den Ausführungen des Sachverständigen zeigt sich "in aller Regel bis zum Vollbild der Demenz ein wechselndes psychopathologisches Zustandsbild, …" (Gutachten Seite 13) – oder Testierunfähigkeit zum Zeitpunkt der Errichtung der weiteren Testamente folgerichtig belegen. Auch hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt, dass der Erblasser wohl nicht unerheblich Alkohol zu trinken pflegte (E-Gutachten Seite 6), was bekanntermaßen Einfluss auf das jeweils zu beurteilende Zustandsbild haben kann."
Ermangelt es aber bereits an verlässlichen Anhaltspunkten für konkrete auffällige Verhaltensweisen des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung, insbesondere an solchen, die darauf hindeuten könnten, dass der Erblasser (wegen krankhafter Störungen der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörungen) nicht in der Lage gewesen sein könnte, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärungen einzusehen und (unbeeinflusst von fremdem Willen) nach dieser Einsicht zu handeln, so lässt sich der bloße Verdacht, der Erblasser sei mit Blick auf eine demenzielle Entwicklung evtl. mit wechselnden psychopathologischen Zustandsbilder womöglich ab Anfang 2009, und demnach auch am 14.8. und 8.9.2009 testierunfähig gewesen, nach aktuellem Stand nicht verifizieren.
Fraglich ist neben der bislang fehlenden hinreichenden Objektivierung des Zustands des Erblassers zudem, ob "leicht bis mittelgradig" reicht, um durchgehende Testierfähigkeit ab Anfang 2009 anzunehmen (grobe Faustregel: mindestens mittelschwere Demenz – Cording, ZEV 2010, 115, 116), weil es an Feststellungen fehlt, dass zum Zeitpunkt der Errichtung der Folgetestamente bei weiter wechselnden psychopathologischen Zustandsbildern (!?) Testierunfähigkeit vorlag.“
(2) Alkoholabhängigkeit
Rz. 141
OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.3.2014
Das OLG Brandenburg schloss sich nach eigener Würdigung einem Sachverständigengutachten zur Frage einer Alkoholabhängigkeit an, kam jedoch zu dem Ergebnis, dass diese Erkrankung zu keinen Zweifeln an der Testierfähigkeit des Erblassers führe:
Zitat
"Der sehr sorgfältig argumentierende Sachverständige führt im Ergebnis seiner Auswertung der aus den Jahren 2003 bis 2005 vorliegenden Arztberichte über den Gesundheitszustand des Erblassers aus, vor dem Hintergrund der geschilderten Symptomatik (Menge des zugestandenen Alkoholkonsums, Suchtdruck, depressives Syndrom) könne die Diagnose einer bei dieser vorliegenden Alkoholabhängigkeit entsprechend Ziff. F10.2 des ICD 10 zwar als sicher bestätigt werden. Das Trinken von Alkohol gehe jedoch weder im gelegentlichen Fall mit dadurch bedingten schädlichen körperlichen Folgen noch im chronischen Fall mit darauf beruhender psychischer Abhängigkeit bereits für sich genommen mit einer Einschränkung der Testierfähigkeit einher. Der Alkoholmissbrauch schränke die Kritik-, Urteils- und Handlungsfähigkeit lediglich vorübergehend für die Phasen der akuten Alkoholintoxikation ein und habe keinen überdauernden Einfluss auf die Testierfähigkeit; das Urteilsvermögen und die eigene Lebenssituation seien bei Suchtkranken zwar typischerweise einseitig bewertet (im Sinne von Bagatellisierung, Leugnung und Rationalisierung der Suchterkrankung sowie deren Folgen), jedoch habe auch diese psychisch einseitige Bewertung keine Auswirkungen auf die Testierfähigkeit. Deren Fehlen könne vielmehr erst erwogen werden, wenn und soweit der Erblasser unter einem organischen Psychosyndrom, einem Demenzsyndrom, einer schizophrenen oder Affektpsychose gelitten habe, wobei die psychopathologischen Symptome einen erheblichen Schweregrad erreicht haben müssten (z.B. schwere Orientierungsstörungen, Personenverkennungen, kognitive Störungen, affektive Veränderungen o.Ä., etwa während eines Deliriums). Derartige Erkrankungsbilder zeigten die medizinischen Quellen in der Person des Erblassers indes nicht an."
Der insofern erste psychiatrische Befund aus dem Monat Oktober 2004 erweise sich dabei als mit Blick auf seine zeitliche Nähe zur Testierung besonders relevant. Der Erblasser habe insoweit eine BAK von 1,88 mg/g aufgewiesen und gleichwohl nur eine lei...