Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 387
Erwägungsgrund 71 der EuErbVO führt zur Gutglaubenswirkung aus:
Zitat
"(…) Einer Person, die Zahlungen an eine Person leistet oder Nachlassvermögen an eine Person übergibt, die in dem Zeugnis als zur Entgegennahme dieser Zahlungen oder dieses Vermögens als Erbe oder Vermächtnisnehmer berechtigt bezeichnet ist, sollte ein angemessener Schutz gewährt werden, wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben gutgläubig gehandelt hat. Der gleiche Schutz sollte einer Person gewährt werden, die im Vertrauen auf die Richtigkeit der in dem Zeugnis enthaltenen Angaben Nachlassvermögen von einer Person erwirbt oder erhält, die in dem Zeugnis als zur Verfügung über das Vermögen berechtigt bezeichnet ist. Der Schutz sollte gewährleistet werden, wenn noch gültige beglaubigte Abschriften vorgelegt werden. (…)"
Rz. 388
Die Gutglaubenswirkung knüpft an die Vermutungswirkung an. Wenn die inhaltliche Richtigkeit des Zeugnisses positiv wie negativ vermutet wird, wird dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der Grundlage des guten Glaubens ist.
Allerdings unterscheidet sich in diesem Punkt das Europäische Nachlasszeugnis vom Erbschein. Denn der gute Glaube an die inhaltliche Richtigkeit des Erbscheins entfällt nur bei positiver Kenntnis der Unrichtigkeit. Dagegen versagt das Zeugnis bereits bei grober Fahrlässigkeit den Gutglaubensschutz.
Das Europäische Nachlasszeugnis unterscheidet sich auch in einem weiteren Punkt vom Erbschein: Die Gutglaubenswirkung des Erbscheins ist abstrakt, also unabhängig davon, ob er bei Vornahme der Rechtshandlung vorgelegt wird oder nicht. Dagegen verlangt der zitierte Erwägungsgrund 71 der EuErbVO die Vorlage des Zeugnisses, sodass es nur einen konkreten Gutglaubensschutz bewirkt.
Rz. 389
Leistung eines Dritten an Zeugnisberechtigten: Gemäß Art. 69 Abs. 3 EuErbVO ist eine im Zeugnis ausgewiesene Person als berechtigt zur Entgegennahme einer Zahlung und Übergabe von Vermögenswerten von Dritten anzusehen, es sei denn, dass der Dritte die inhaltliche Unrichtigkeit des Zeugnisses kannte oder grob fahrlässig verkannt hat. Zwar deutet der Wortlaut darauf hin, dass nur die körperliche Übergabe von Vermögenswerten gemeint ist. Doch ist eine extensive Auslegung geboten, um bspw. auch die Abtretung von Ansprüchen in den Anwendungsbereich einzubeziehen.
Rz. 390
Leistung eines Zeugnisberechtigten an Dritten: Verfügt nach Art. 69 Abs. 4 EuErbVO eine Person, die in dem Zeugnis als zur Verfügung berechtigt ausgewiesen ist, wird der Dritte so gestellt, als habe er von der verfügungsberechtigten Person das Nachlassvermögen erhalten, soweit der Dritte keine Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der Unrichtigkeit hat. Davon nicht umfasst ist die Frage, ob der Dritte auch gutgläubig Eigentum erwerben kann, wenn der Vermögenswert nicht zum Nachlass gehört, weil sich dies allein aus den nationalen Vorschriften zum gutgläubigen Eigentumserwerb ergibt.