Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
aa) Einsichtnahme, Erteilung von Abschriften und Ausfertigungen
Rz. 74
Für alle Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und damit auch für das Nachlassverfahren bestimmt § 13 FamFG, dass jedem die Einsicht in die Nachlassakten gestattet werden kann, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Dies gilt auch für die Erteilung unbeglaubigter oder beglaubigter Abschriften aus der Nachlassakte. Über den Antrag entscheidet das Nachlassgericht unter Abwägung der widerstreitenden Interessen.
Rz. 75
Der Gläubiger muss das berechtigte Interesse an der Akteneinsicht durch Substantiierung eines Anspruchs glaubhaft machen. Wer als Erbe oder Vermächtnisnehmer in Betracht kommt, ist zur Einsichtnahme berechtigt. Ein Pflichtteilsberechtigter hat stets ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht, einschließlich des vom Erben ausgefüllten Wertermittlungsbogens.
Rz. 76
Derjenige, der nicht nur ein berechtigtes, sondern auch ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht glaubhaft macht, kann nach § 357 Abs. 1 FamFG Einsicht in das eröffnete Testament nehmen und davon eine beglaubigte Abschrift verlangen. Ist der Erbschein bereits erteilt worden, wird unter den gleichen Voraussetzungen die beglaubigte Abschrift des Erbscheins erteilt.
Rz. 77
Zwar stellt § 357 Abs. 2 FamFG für die Erteilung der Ausfertigung eines Erbscheins auch auf die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses ab. Allerdings erteilt das Nachlassgericht dem Gläubiger wegen des notwendigen Gleichlaufs zur Erbscheinserteilung die Ausfertigung eines bereits erteilten Erbscheins nur, wenn er eine vollstreckbare Ausfertigung eines Titels vorlegen kann, §§ 792, 896 ZPO.
Rz. 78
Teilt das Nachlassgericht auf das Einsichtsgesuch mit, dass kein nachlassgerichtliches Verfahren existiere, geht die obergerichtliche Rechtsprechung in der Bewertung auseinander, ob diese Negativbescheinigung eine Gerichtsgebühr nach Nr. 1401 KV JVKostG in Höhe von 15 EUR auslöst. Der Streit dreht sich im Wesentlichen um die Einordnung der Negativbescheinigung als Justizverwaltungsakt oder Akt der Rechtsprechung.
Rz. 79
Praxishinweis
Vor dem Hintergrund der gegenläufigen obergerichtlichen Rechtsprechung ist es sinnvoll, in das Auskunftsverlangen aufzunehmen, dass ein Antwortschreiben im Sinne einer Negativbescheinigung nicht gewünscht wird, wenn das Gericht in der Nachlasssache keine Akte angelegt hat.
bb) Rechtsbehelf
Rz. 80
Die Beschwerde ist statthafter Rechtsbehelf gegen eine Versagung der Akteneinsicht, § 58 Abs. 1 FamFG. Das Beschwerderecht nach § 59 Abs. 1 FamFG besteht auch gegen eine Zwischenverfügung, die die Gewährung der Akteneinsicht von der Erfüllung bestimmter Auflagen abhängig macht.
Rz. 81
Der Beschwerdewert beträgt mindestens 600 EUR, § 61 Abs. 1 FamFG. Maßgeblich ist der Wert des geltend gemachten Anspruchs. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Beschwerde zugelassen werden, § 61 Abs. 2 FamFG.
Rz. 82
Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat, § 63 Abs. 1 FamFG. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.
Rz. 83
Nach § 64 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde beim Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird, also beim Nachlassgericht (iudex a quo). Kommt das Nachlassgericht zum Ergebnis, dass die Beschwerde begründet ist, hilft sie ihr ab und erteilt die verlangten Auskünfte. Anderenfalls legt es die Beschwerde nach § 68 Abs. 1 FamFG unverzüglich dem Beschwerdegericht vor.
Rz. 84
Das Oberlandesgericht ist als Beschwerdegericht zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG.
Rz. 85
Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof: Gegen eine Beschwerdeentscheidung des Beschwerdegerichts (OLG) ist die Rechtsbeschwerde zum BGH statthaft (§ 133 GVG), sofern sie vom Beschwerdegericht zugelassen wurde, § 70 Abs. 1 FamFG.