Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 273
Zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit kommt es vorrangig auf Art. 4 EuErbVO an: Deutsche Gerichte sind für die Erteilung eines Erbscheins zuständig, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Rz. 274
Zwar wird dieser zentrale Begriff des Zuständigkeitskatalogs in der EuErbVO nicht definiert, allerdings macht Erwägungsgrund 23 Vorgaben, an denen sich der Rechtsanwender orientieren kann:
Zitat
"In Anbetracht der zunehmenden Mobilität der Bürger sollte die Verordnung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege in der Union und einer wirklichen Verbindung zwischen dem Nachlass und dem Mitgliedstaat, in dem die Erbsache abgewickelt wird, als allgemeinen Anknüpfungspunkt zum Zwecke der Bestimmung der Zuständigkeit und des anzuwendenden Rechts den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt des Todes vorsehen. Bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts sollte die mit der Erbsache befasste Behörde eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt seines Todes vornehmen und dabei alle relevanten Tatsachen berücksichtigen, insbesondere die Dauer und die Regelmäßigkeit des Aufenthalts des Erblassers in dem betreffenden Staat sowie die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe. Der so bestimmte gewöhnliche Aufenthalt sollte unter Berücksichtigung der spezifischen Ziele dieser Verordnung eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen."
Rz. 275
Erwägungsgrund 24 der EuErbVO enthält weitere Hinweise zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts:
Zitat
"In einigen Fällen kann es sich als komplex erweisen, den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn sich der Erblasser aus beruflichen oder wirtschaftlichen Gründen – unter Umständen auch für längere Zeit – in einen anderen Staat begeben hat, um dort zu arbeiten, aber eine enge und feste Bindung zu seinem Herkunftsstaat aufrechterhalten hat. In diesem Fall könnte – entsprechend den jeweiligen Umständen – davon ausgegangen werden, dass der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in seinem Herkunftsstaat hat, in dem sich in familiärer und sozialer Hinsicht sein Lebensmittelpunkt befand. Weitere komplexe Fälle können sich ergeben, wenn der Erblasser abwechselnd in mehreren Staaten gelebt hat oder auch von Staat zu Staat gereist ist, ohne sich in einem Staat für längere Zeit niederzulassen. War der Erblasser ein Staatsangehöriger eines dieser Staaten oder hatte er alle seine wesentlichen Vermögensgegenstände in einem dieser Staaten, so könnte seine Staatsangehörigkeit oder der Ort, an dem diese Vermögensgegenstände sich befinden, ein besonderer Faktor bei der Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände sein."
Rz. 276
Hat der Erblasser erst kurz vor seinem Tod seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort gewechselt, kommt es nach Erwägungsgrund 25 der EuErbVO auf die Gesamtumstände an, ob der Erblasser weiterhin eine offensichtlich engere Verbindung zum vorherigen Aufenthaltsstaat hat. Ist dies der Fall, wird die internationale Zuständigkeit eines Gerichts des vorherigen Aufenthaltsstaates begründet. Inwieweit sich dieser Erwägungsgrund mit Erwägungsgrund 23 überschneidet, ist ungeklärt.