Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 327
Umstritten ist die Frage, inwieweit das gemeinschaftliche Testament nach deutschem Recht entweder Art. 24 oder Art. 25 EuErbVO unterfällt.
Richtigerweise ist im Hinblick auf wechselbezügliche Verfügungen auf Art. 25 EuErbVO abzustellen. Bei nicht wechselbezüglichen Verfügungen ist dagegen Art. 24 EuErbVO einschlägig.
Rz. 328
Allein der Begriff des gemeinschaftlichen Testaments nach deutschem Recht steht der Subsumtion von wechselbezüglichen Verfügungen unter Art. 25 EuErbVO nicht entgegen, weil die Erbrechtsverordnung autonom von einem überkommenen Begriffsverständnis der jeweiligen nationalen Rechtsordnung auszulegen ist.
Für Deutschland bestimmen § 2265 BGB und § 10 Abs. 4 LPartG, dass zwei Ehegatten bzw. zwei eingetragene Lebenspartner ein gemeinschaftliches Testament errichten können, wobei ggf. den durch Auslegung zu ermittelnden wechselbezüglichen Verfügungen qua Gesetz Bindungswirkung zukommt. Ausschluss oder Beschränkung der Bindungswirkung müssen testamentarisch verfügt werden. Auf dieses gesetzliche Leitbild ist abzustellen.
Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b EuErbVO ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Die Verknüpfung gegenseitiger Testamente durch eine Vereinbarung impliziert eine Bindung. Dagegen nimmt Art. 3 Abs. 1 Buchst. c EuErbVO für die Definition des gemeinschaftlichen Testaments im Sinne der Verordnung nicht auf eine notwendige Bindung Bezug. Es kommt nur darauf an, dass mehrere Personen in einer einzigen Urkunde ein Testament errichten. Aus diesem Grund weisen wechselbezügliche Verfügungen eines gemeinschaftlichen Testaments nach deutschem Recht größere Schnittmengen mit dem von der Verordnung autonom bestimmten Erbvertrag auf.
Hinzu kommen teleologische Erwägungen: Würde man die Bindungswirkung kollisionsrechtlich nach Art. 24 EuErbVO aufspalten und anhand sämtlicher Rechtsordnungen der Testierenden prüfen, entstünden Wertungswidersprüche, die nur mit Analogien für die Besonderheiten des gemeinschaftlichen Testaments zu beseitigen wären. Die einheitliche kollisionsrechtliche Anknüpfung der Bindungswirkung an die Rechtsordnung der engsten Verbindung bzw. der einheitlichen Rechtswahl nach Art. 25 EuErbVO schafft dagegen Klarheit und eine einfachere Handhabung.
Rz. 329
Die Anknüpfung nicht wechselbezüglicher Verfügungen an Art. 24 EuErbVO folgt wiederum aus der größeren Schnittmenge zum Anwendungsbereich dieser Norm. Soweit keine Bindungswirkung existiert, besteht kein Bedürfnis einer einheitlichen Anknüpfung, wie sie Art. 25 EuErbVO vorsieht. In diesen Fällen wird das anwendbare Errichtungsstatut getrennt für jeden Testierenden bestimmt. Ist danach eine Verfügung unzulässig oder unwirksam, entscheidet sich nach dem jeweiligen Errichtungsstatut, das für die Testierenden gilt, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben.
Rz. 330
Diese Argumentation dürfte auch für nicht vertragsgemäße Verfügungen eines Erbvertrages nach deutschem Recht gelten. Denn diese unterliegen keiner Bindungswirkung, sodass kein Bedürfnis einer einheitlichen Anknüpfung an Art. 25 EuErbVO besteht. Folgt man einer zweckmäßigen Anknüpfung, müssen nicht vertragsgemäße Verfügungen eines Erbvertrages wie testamentarische Verfügungen unter Art. 24 EuErbVO subsumiert werden.
Rz. 331
Praxishinweis
Da aufgrund der Anknüpfung an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt vermehrt ausländische Stellen zur Erteilung eines Erbnachweises für deutsche Erblasser zuständig sein werden, vielen nationalen Rechtsordnungen gemeinschaftliche Testamente allerdings unbekannt sind, könnten diese ausländischen Stellen aus ihrem Verständnis heraus gemeinschaftlichen Testamenten die Anerkennung versagen. Aus diesem Grund ist es bis zur Festigung einer einheitlichen Anwendung der Verordnung ratsam, in das gemeinschaftliche Testament eine Auflage aufzunehmen, die die Erben verpflichtet, eine Vereinbarung zu treffen, nach der ein deutsches Nachlassgericht zur Erbscheinserteilung zuständig sein soll. Der Erblasser kann den Gerichtsstand dagegen nicht durch letztwillige Verfügung wählen.
Anderenfalls bleibt aus deutscher Sicht nur die Möglichkeit, anstelle eines gemeinschaftlichen Testaments einen Erbvertrag als sichersten Weg zu errichten, wenn ein Umzug der Testierenden ins Ausland nicht auszuschließen ist. Denn Erbverträge sind sämtlichen Rechtsordnungen bekannt.