Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
Rz. 332
Aus der zuvor beschriebenen Differenzierung bei Errichtung (siehe Rdn 327, 330) folgt auch eine Differenzierung bei Widerruf und Änderung: Nicht vertragsgemäße und nicht wechselbezügliche Verfügungen sind nach Art. 24 Abs. 3 EuErbVO zu widerrufen und zu ändern, vertragsgemäße und wechselbezügliche Verfügungen sind wegen der Bindungswirkung an Art. 25 EuErbVO zu messen. Allerdings ist in Art. 25 EuErbVO keine Regelung für Widerruf und Änderung derartiger Verfügungen enthalten, sodass sich die Frage einer analogen Anwendbarkeit stellt: Bei Art. 24 Abs. 3 EuErbVO kommt es nur auf die Prüfung des Widerrufs und der Änderung anhand des künftig anwendbaren Errichtungsstatuts an (siehe Rdn 320). Würde man diese Regelung analog heranziehen, könnte ein Erblasser jedenfalls dann die ursprüngliche Bindungswirkung aushöhlen, wenn das neu anwendbare Errichtungsstatut einen Widerruf oder eine Änderung ohne Weiteres zuließe.
Aus der Regelungslücke wird auf eine bewusste Beschränkung des Widerrufs und der Änderung auf nicht bindende letztwillige Verfügungen geschlossen, sodass es zu einer Doppelprüfung kommt: Für Widerrufbarkeit und Änderbarkeit einer bindenden letztwilligen Verfügung ist zunächst auf das ursprünglich anzuwendende Recht abzustellen. Die Wirksamkeit von Widerruf und Änderung im Sinne einer neuen letztwilligen Verfügung richtet sich danach nach dem neu anwendbaren Recht.
Rz. 333
Die vorgeschaltete Prüfung der Widerrufbarkeit und Änderbarkeit führt für eine bindende Rechtswahl des deutschen Erbstatuts dazu, dass zunächst die im deutschen Recht relevanten Normen zu prüfen sind. § 2270 Abs. 3 BGB bzw. § 2278 Abs. 2 BGB lassen ausdrücklich die bindende Wahl des deutschen Erbrechts zu. Besteht Bindungswirkung, scheitern Widerruf und Änderung der Rechtswahl des Erbstatuts.
Ist bspw. der deutsche Erblasser an das deutsche Erbstatut aufgrund einer Rechtswahl gebunden, kann er nicht durch Änderung des gewöhnlichen Aufenthalts ins Ausland und dem damit verbundenen Statutenwechsel durch bloßen Widerruf der Rechtswahl dem deutschen Pflichtteilsrecht entgehen. Ist die Wahl deutschen Erbrechts dagegen nicht vertragsgemäß bzw. nicht wechselbezüglich erfolgt, kann der Erblasser die Rechtswahl aufgrund des neuen gewöhnlichen Aufenthalts nach dem dort geltenden Recht widerrufen, sodass danach das dann anwendbare Erbstatut des gewöhnlichen Aufenthalts gelten würde, welches möglicherweise ein günstigeres Pflichtteils- oder Noterbenrecht bereithält.
Rz. 334
Praxishinweis
Empfehlenswert ist daher, für die Rechtswahl eine ausdrückliche Bindungswirkung in das gemeinschaftliche Testament oder den Erbvertrag aufzunehmen, soweit dies gewünscht wird, um keine Fragen nach der wechselbezüglichen oder vertragsgemäßen Anordnung aufkommen zu lassen. Denn diese hat maßgeblichen Einfluss auf den Widerruf und die Änderung der Rechtswahl.