Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
1. Allgemeines
Rz. 355
Zwar ist die Erbrechtsverordnung nach Art. 84 EuErbVO unmittelbar in den Mitgliedstaaten der EU mit Ausnahme von Irland, Großbritannien und Dänemark anwendbar. Allerdings ist zur Durchführung der EuErbVO eine begleitende Ergänzung und Anpassung des mitgliedstaatlichen Rechts erforderlich. Denn die Verordnung regelt das Verfahren nicht in allen Einzelheiten. Verweise oder Bezugnahmen auf das mitgliedstaatliche Recht enthalten Art. 64 S. 2 EuErbVO zur Zuständigkeit, Art. 66 Abs. 1, 3, 4 zum Ausstellungsverfahren sowie Art. 72 Abs. 1 UAbs. 3 EuErbVO zum Rechtsbehelfsverfahren. Zur Durchführung des Verfahrens hat Deutschland das Internationale Erbrechtsverfahrensgesetz (IntErbRVG) erlassen, das zum 17.8.2015 in Kraft getreten ist. §§ 33 bis 44 IntErbRVG betreffen das Europäische Nachlasszeugnis. Nach § 35 Abs. 1 IntErbRVG ist subsidiär das FamFG heranzuziehen.
2. Zuständigkeit
Rz. 356
Das IntErbRVG knüpft die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit an die in der Erbrechtsverordnung geregelte internationale Zuständigkeit an. Art. 64 S. 1 EuErbVO weist die internationale Zuständigkeit für die Ausstellung des Zeugnisses den Gerichten zu, die nach Art. 4, 7, 10 und 11 EuErbVO zuständig sind (siehe hierzu Rdn 273 ff.). § 34 Abs. 3 IntErbRVG nimmt dies für Deutschland auf und spiegelt § 343 Abs. 2 FamFG im Wesentlichen: Das Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers ist örtlich ausschließlich zuständig. Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin örtlich ausschließlich zuständig. Das Amtsgericht Schöneberg kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen.
Rz. 357
§ 34 Abs. 1, 2 IntErbRVG regelt die Zuständigkeit bei der Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO, indem die Norm auf Art. 7 EuErbVO verweist. Art. 7 EuErbVO wiederum unterscheidet drei Fälle, an die das IntErbRVG für die ausschließliche örtliche Zuständigkeit anknüpft (vgl. Rdn 279).
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Hat sich das zunächst angerufene Gericht wegen der Wahl des deutschen Erbstatuts auf Antrag einer Verfahrenspartei für unzuständig erklärt, ist das deutsche Gericht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers örtlich ausschließlich zuständig. |
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Haben die Beteiligten wegen der vom Erblasser vorgenommenen Wahl deutschen Erbrechts eine Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen, ist das deutsche Gericht der Vereinbarung örtlich ausschließlich zuständig. Ein bereits angerufenes Gericht gibt die Sache von Amts wegen an das Gericht ab. |
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Die örtliche ausschließliche Zuständigkeit des zunächst unzuständigen Gerichts kann letztlich auch aus der ausdrücklichen Anerkennung der Verfahrensparteien folgen. Die Anerkennung der örtlichen Zuständigkeit eines Gerichts, dessen Staat nicht von der Rechtswahl betroffen ist, ist nicht möglich. Das bedeutet, dass das zunächst unzuständige, aber dann anerkannte Gericht stets in Deutschland liegen muss, wenn der Erblasser die Anwendung des deutschen Erbrechts gewählt hat. |
Rz. 358
Nach § 34 Abs. 4 IntErbRVG ist das Amtsgericht sachlich als Nachlassgericht zuständig.
3. Antragsberechtigung
Rz. 359
§ 36 Abs. 1 IntErbRVG verweist für den Antrag auf Art. 65 EuErbVO. Danach wird das Zeugnis jeder in Art. 63 Abs. 1 EuErbVO genannten Person auf Antrag ausgestellt. Da das IntErbRVG auf die Vorschriften des FamFG verweist, hat das Nachlassgericht eine allgemeine Benachrichtigungspflicht nach § 7 Abs. 4 FamFG.
Rz. 360
Antragsberechtigt sind:
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Erben |
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Vermächtnisnehmer mit dinglicher Berechtigung am Nachlass (Vindikationslegat) |
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Testamentsvollstrecker |
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Nachlassverwalter und Nachlasspfleger |
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nicht: Nachlassgläubiger. |
Rz. 361
Neben dem Erben ist bspw. auch der französische oder belgische überlebende Ehegatte gemeint, dem aufgrund seines Ehegattenerbrechts ein Nießbrauch am Gesamtnachlass bzw. Berechtigung am Bruchteil zusteht. Zu den Erben gehört ferner der dinglich berechtigte Noterbe. Auch zeitlich begrenzte Erben, z.B. der deutsche Vorerbe, sind antragsberechtigt. Ist dagegen wie z.B. in Österreich ein formaler Übertragungsakt (Einantwortung) erforderlich, liegt noch keine unmittelbare Berechtigung des Erben vor. Gleiches gilt für Erben nach englischem, walisischem oder schottischem Erbrecht: Der personal prepresentative wird als Nachlassabwickler zunächst Inhaber des Nachlasses.
Rz. 362
Der antragsberechtigte Erbe grenzt sich vom Vermächtnisnehmer dadurch ab, dass der Erbe am gesamten Nachlass berechtigt ist, der Vermächtnisnehmer dagegen nur an einzelnen Gegenständen. Art. 63 Abs. 1 EuErbVO sieht explizit nur denjenigen Vermächtnisnehmer, der unmittelbar am Nachlass berechtigt ist, als antragsberechtigt an. Deswegen ist das Damnationslegat vom Vindikationslegat abzugrenzen, also die Frage zu beantworten, ob allein ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übertragung des Gegenstands besteht oder ob der Vermächtn...