Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
1. Allgemeines
Rz. 343
Ausländische Erbscheine sind nach § 108 FamFG grundsätzlich anzuerkennen, ohne dass es eines besonderen Anerkennungsverfahrens bedarf. Sie stellen aber regelmäßig keine ausreichenden Erbnachweise im Grundbuchverfahren nach § 35 GBO dar.
Rz. 344
Deutsch-türkisches Nachlassabkommen von 1929: § 17 des Abkommens regelt die Anerkennung von Zeugnissen über erbrechtliche Verhältnisse, die durch Behörden des einen Staates ausgestellt worden sind, im jeweiligen anderen Staat. Hierzu gehören Erbscheine und Testamentsvollstreckerzeugnisse. Nach dem Wortlaut wird der in einem Staat erteilte erbrechtliche Legitimationsnachweise im Hinblick auf beweglichen Nachlass im anderen Staat anerkannt. Zum Nachweis der Echtheit ist die Urkunde von einem Konsul oder diplomatischen Vertreter des Staates zu beglaubigen, dem der Erblasser angehörte. Aus der Nichtnennung des unbeweglichen Nachlasses folgt, dass zur diesbezüglichen Legitimation ein Erbnachweis des Staates erforderlich ist, in dem der unbewegliche Nachlassteil belegen ist.
Rz. 345
Lässt das Grundbuchamt einen ausländischen Erbschein nicht als Nachweis i.S.d. § 35 GBO genügen, kann vom zuständigen deutschen Nachlassgericht ein gegenständlich beschränkter Fremdrechtserbschein erteilt werden (siehe Rdn 216 ff.). Dieser ist in jedem Fall ein Unrichtigkeitsnachweis i.S.v. § 35 GBO.
2. Länderüberblick
a) Schweiz: Nachweis des Erbrechts
Rz. 346
Dem Erben wird von der zuständigen Behörde, die von den Kantonen bestimmt wird, eine Erbbescheinigung ausgestellt. Dort sind die Erben und die Pflichtteilsberechtigten aufgeführt. Ob diese Bescheinigung dem deutschen Erbschein entspricht, ist streitig; nach überwiegender Meinung ist dies nicht der Fall. Schweizer Erbscheine (und grundsätzlich ausländische) werden im deutschen Grundbuchverkehr nicht anerkannt.
b) Österreich: Nachweis des Erbrechts
Rz. 347
Das Verlassenschaftsgericht hat bei der Abwicklung des Nachlasses eine große Bedeutung; zuständig ist dasjenige am letzten Wohnsitz des Erblassers.
Die Erben, seien sie kraft Gesetzes oder aufgrund Verfügung von Todes wegen berufen, werden von Amts wegen ermittelt und aufgefordert, die Erbserklärung (Annahmeerklärung) abzugeben. Hierbei spricht man von Abhandlungsverfahren.
Das Abhandlungsverfahren endet mit der förmlichen Einantwortung des Besitzes am Nachlass durch das Verlassenschaftsgericht an den Erben. Erst damit erlangt der Erbe den rechtlichen Besitz am Nachlass.
Über die Einantwortung wird dem Erben eine Urkunde erteilt, die in formelle Rechtskraft erwächst. Sie dient als Erbnachweis.
c) Frankreich: Nachweis des Erbrechts
Rz. 348
Ein Erbschein mit öffentlichem Glauben ist dem französischen Recht unbekannt, mit Ausnahme in Elsass-Lothringen, wo formell die Regelung des deutschen Erbscheins gilt, allerdings nur für Erblasser, die dort ihren letzten Wohnsitz hatten.
Einen Erbschein im deutschrechtlichen Sinne kennt das französische Recht nicht. Die Erbfolge wird durch eine Offenkundigkeitserklärung (acte de notoriété) nachgewiesen. Sie wird vom Notar vorbereitet und von zwei Zeugen unterschrieben.
Die Zeugen bestätigen, den Erblasser gekannt zu haben, dass er z.B. zwei Kinder hinterlassen hat, dass kein Testament vorhanden war etc. Dieser Urkunde wird die Sterbeurkunde beigefügt.
Praxishinweis
Es empfiehlt sich, zum Nachweis der erfolgten Erbschaftsannahme die Erben die Urkunde mitunterzeichnen zu lassen.
d) Italien: Nachweis des Erbrechts
Rz. 349
Nur in Südtirol und Venezien gilt heute noch das österreichische Erbscheinsverfahren. Dort weisen die Erben ihr Erbrecht mittels eines certificato di eredità nach.
Im Übrigen kennt das italienische Recht keinen Erbschein.
Erbe kann nur sein, wer die Erbschaft auch angenommen hat; deshalb ist die Annahmeerklärung nachzuweisen. Dies erfolgt in einer öffentlichen Urkunde. Wurde die Annahme der Erbschaft privatschriftlich erklärt, muss die Unterschrift öffentlich beglaubigt werden. Die stillschweigende Annahme kann durch Urteil nachgewiesen werden.
Die Beteiligungsverhältnisse ergeben sich entweder aus dem Testament oder aus dem Gesetz.
Die Tätigkeit der Gerichte beschränkt sich im Wesentlichen auf die Nachlasssicherung, die Mitwirkung bei der Inventarerrichtung und die Nachlassauseinandersetzung.
3. Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile im Erbscheinsverfahren
Rz. 350
Ist die Wirksamkeit einer ausländischen Ehescheidung Vorfrage in einem anderen Verfahren, z.B. in einem Erbscheinsverfahren oder in einem Erbrechtsprozess (z.B. beim gesetzlichen Erbrecht oder Pflichtteilsrecht des Ehegatten), stellt sich die Frage, ob das Scheidungsurteil unmittelbar in Deutschland Wirkung entfaltet oder förmlich anerkannt werden muss.
Handelt es sich um ein Scheidungsurteil nach dem Recht eines Mitgliedstaates der Brüssel IIa-VO, haben diese Urteile unmittelbare Geltung in Deutschland. Ein Scheidungsurteil nach dem Recht eines anderen Staates muss dagegen mi...