Dr. iur. Marcus Hartmann, Walter Krug
1. Befristete Beschwerde
a) Sofortige Beschwerde
Rz. 189
Die Beschwerde ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthafter Rechtsbehelf gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts im Erbscheinserteilungsverfahren.
b) Beschwerdebefugnis
Rz. 190
Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss des Nachlassgerichts in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Allerdings lässt sich eine Beschwerdebefugnis nicht ausschließlich aus Verfahrensfehlern herleiten. Vielmehr muss der Beschwerdeführer geltend machen, dass der Erbschein seine erbrechtliche Stellung nicht oder nicht richtig ausweist.
Ist der Erbscheinsantrag zurückgewiesen worden, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu, § 59 Abs. 2 FamFG.
Rz. 191
Der Beschwerdeführer muss, um der Prüfung der Beschwerdebefugnis zu genügen, schlüssig vortragen, in einem behaupteten Erbrecht beeinträchtigt zu sein. Eine solche Rechtsbeeinträchtigung ist nicht schlüssig vorgebracht, wenn sich für das behauptete Erbrecht (bspw. durch Ersatzerbfolge) von vornherein keine Anhaltspunkte in der Testamentsurkunde finden lassen.
Rz. 192
Die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Erbscheinsantrags ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer (in der Beschwerdeinstanz) ausschließlich die Erteilung eines anderen als des von ihm erstinstanzlich beantragten Erbscheins begehrt.
Rz. 193
Wer im erstinstanzlichen Verfahren nicht formell beteiligt worden ist, obwohl er von der Entscheidung möglicherweise nach § 59 FamFG in seinen Rechten beeinträchtigt wird ("vergessener Beteiligter"), kann nur so lange fristgemäß Beschwerde einlegen, bis die Rechtsmittelfrist für den letzten formell Beteiligten abgelaufen ist.
Rz. 194
Wird jemand unmittelbar durch den Inhalt des Erbscheins in seinen Rechten beeinträchtigt, kann er ausnahmsweise im Erbscheinsverfahren beschwerdeberechtigt sein, wenn er selbst in diesem Erbschein nicht aufzuführen ist. Das kann etwa für den Erwerber des Nacherbenanwartschaftsrechts gelten.
Rz. 195
Der Vermächtnisnehmer hat im Erbscheinsverfahren kein Beschwerderecht. Anders ist dies nur, wenn er als Nachlassgläubiger einen Vollstreckungstitel hat, §§ 792, 896 ZPO.
c) Beschwerdewert
Rz. 196
In vermögensrechtlichen Angelegenheiten ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt. Übersteigt der Beschwerdegegenstand nicht den Beschwerdewert, ist die Beschwerde zulässig, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat, § 61 Abs. 1, 2 FamFG.
d) Beschwerdefrist
Rz. 197
Die Beschwerdefrist beträgt einen Monat. Die Frist beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, § 63 Abs. 1, 3 FamFG.
Hinweis
Die Beschwerdefristen nach der ZPO einerseits und dem FamFG andererseits stimmen nicht überein (ZPO: Zweiwochenfrist).
e) Adressat der Beschwerde
Rz. 198
Nach § 64 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde bei dem Gericht einzulegen, dessen Beschluss angefochten wird, also beim Nachlassgericht (iudex a quo).
Für das Beschwerdeverfahren besteht kein Anwaltszwang, § 64 Abs. 2 FamFG.
Die Beschwerdeschrift muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Ein bestimmter Antrag muss nicht gestellt werden, auch eine Begründung ist nicht vorgeschrieben. Beides empfiehlt sich jedoch, weil das Beschwerdegericht sich mit der Rechtsansicht des Beschwerdeführers auseinandersetzen sollte. Das Beschwerdegericht hat den Erbschein umfassend zu überprüfen.
2. Gang des Beschwerdeverfahrens
Rz. 199
Gemäß § 68 Abs. 1 FamFG hat das Nachlassgericht ein Abhilfeverfahren durchzuführen. Hält es die Beschwerde für begründet, hilf es ihr ab; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen.
Das Oberlandesgericht ist als Beschwerdegericht zuständig für die Entscheidung über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG.
3. Entscheidung über die Beschwerde
Rz. 200
Die Abhilfe- bzw. Nichtabhilfeentscheidung des Nachlassgerichts erfolgt durch zu begründenden Beschluss. Dabei ist eine Bezugnahme auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung nur insoweit ausreichend, als die Beschwerde keine neuen, in der angefochtenen Entscheidung nicht abgehandelten Gesichtspunkte aufzeigt.
Ein Nichtabhilfebeschluss, der nicht erkennen lässt, mit Blick auf welches Petitum des Beschwerdeführers sich das Nachlassgericht mit dem Beschwerdevorbringen auseinandergesetzt hat, genügt nicht den Begründungsanforderungen.
Im Rahmen des Abhilfeverfahrens muss da...