Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
Rz. 130
Der Rücktritt kann nur von einem unbeschränkt geschäftsfähigen Erblasser erklärt werden. Die Rücktrittserklärung bedarf der notariellen Beurkundung, § 2296 Abs. 2 BGB; sie ist gegenüber dem anderen Vertragsteil zu erklären; die Erklärung muss höchstpersönlich abgegeben werden. Das nicht ausgeübte Rücktrittsrecht ist nicht vererblich. Hat ein Erblasser den in einem Erbvertrag vorbehaltenen Rücktritt erklärt und notariell beurkunden lassen und hat der Notar die Zustellung des Rücktritts an den als Alleinerben eingesetzten Vertragspartner übernommen, tatsächlich aber nicht zugestellt, wirkt der Erbvertrag fort mit der Folge, dass der vom Erblasser in einem neuen Testament eingesetzte (andere) Alleinerbe nicht erbberechtigt ist.
Ist der andere Vertragsteil geschäftsunfähig und gehört zum Aufgabenkreis eines für ihn bestellten Betreuers die Vermögenssorge, so kann der Rücktritt von einem Erbvertrag auch gegenüber dem Betreuer erklärt werden. Die ganz herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht davon aus, dass ein Rücktritt auch im Falle der Geschäftsunfähigkeit des anderen Vertragsteils möglich ist, dann aber gem. § 131 BGB dem gesetzlichen Vertreter des Geschäftsunfähigen zugehen muss, um wirksam zu werden. Ist der zurücktretende Ehegatte zugleich zum Betreuer des anderen Ehegatten bestellt, dürfte wohl ein Vertretungsausschluss bestehen, da die Empfangnahme der Widerrufserklärung nicht als lediglich rechtlich vorteilhaft angesehen werden kann, so dass für die Empfangnahme des Widerrufs ein Ergänzungsbetreuer nach § 1899 Abs. 4 BGB bestellt werden muss.
Das Landgericht Leipzig lässt es beim gemeinschaftlichen wechselbezüglichen Testament – und damit auch beim Rücktritt von einem Erbvertrag – genügen, wenn der Widerruf dem Generalbevollmächtigten des anderen Ehegatten zugeht: Beschl. v. 1.10.2009:
Zitat
"Der notariell beurkundete Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehepartner wird durch die Aushändigung der Widerrufserklärung an einen von diesem mit umfassender und uneingeschränkter General- bzw. Vorsorgevollmacht bestellten rechtsgeschäftlichen Vertreter wirksam. Die Bestellung eines Betreuers als gesetzlicher Vertreter ist nicht erforderlich. Das Fehlen der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht ist unerheblich, wenn es sich sachlich um eine umfassende Generalvollmacht oder eine die Entgegennahme einer solchen Widerrufserklärung erfassende Einzel- oder Spezialvollmacht handelt."
Ist der Erbvertrag mit Rechtsgeschäften unter Lebenden in einer Urkunde verbunden (Ehe- bzw. Lebenspartnerschaftsvertrag, Scheidungsvereinbarung, Scheidungsfolgenregelung) und wurde der Rücktritt vorbehalten, so bedarf dieser der Form des § 2296 Abs. 2 S. 2 BGB.
Rz. 131
Muster 24.14: Rücktritt des Erblassers vom einseitigen Erbvertrag
Muster 24.14: Rücktritt des Erblassers vom einseitigen Erbvertrag
_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)
Es erscheint Herr _________________________
Er ist nach der Überzeugung des Notars zweifelsfrei geschäftsfähig. Sodann erklärt er folgenden
Rücktritt von einem Erbvertrag
I. Vorwort
In der Urkunde des Notars _________________________ in _________________________ vom _________________________ habe ich unter Urkunden-Rolle Nr. _________________________ mit Frau _________________________ einen Erbvertrag errichtet, wonach sich Frau _________________________ zu Dienstleistungen mir gegenüber verpflichtet hat und ich ihr ein Wohnungsrechtsvermächtnis zugewandt habe.
Frau _________________________ ist seit längerer Zeit krank und kann seit _________________________ die Dienstleistungen nicht mehr erbringen. Unter diesen Voraussetzungen bin ich berechtigt, nach Ziffer _________________________ der bezeichneten Urkunde vom Erbvertrag zurückzutreten.
II. Rücktrittserklärung
Hiermit trete ich von dem in Ziff. I bezeichneten Erbvertrag in vollem Umfang zurück. Der beurkundende Notar bzw. sein jeweiliger Vertreter im Amt wird hiermit beauftragt, Frau _________________________ eine Ausfertigung dieser Rücktrittserklärung durch den zuständigen Gerichtsvollzieher zustellen zu lassen.
Diese Niederschrift wurde vom Notar dem Anwesenden vorgelesen, von ihm genehmigt und sodann von ihm und dem Notar unterschrieben
Rz. 132
Praxishinweis
Der Rücktritt muss dem anderen Vertragsteil in Ausfertigung zugehen, beglaubigte Abschrift reicht nicht. Dies ist zu überwachen.