Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
Rz. 53
Die am 16.8.2012 (vgl. Art. 84 EuErbVO) in Kraft getretene EuErbVO hat bekanntlich mit der Anknüpfung des Erbstatuts an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt und der damit einhergehenden Unterwerfung der Rechtsnachfolge von Todes wegen unter das Recht, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen Wohnsitz hatte, einen Paradigmenwechsel – gleich einer kopernikanischen Wende – insbesondere auch im deutschen internationalen Erbrecht eingeleitet. Die Regelanknüpfung in Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F., wonach sich das materielle Erbrecht (Erbstatut) nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes richtete, ist seither Rechtsgeschichte. Ebenso Rechtsgeschichte ist mit dem Inkrafttreten der EuErbVO die erst seit 1.9.1986 im deutschen internationalen Erbrecht eingeführte eingeschränkte Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F., die eine Wahl deutschen Erbrechts für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen zuließ. Diese Möglichkeit einer Wahl deutschen Erbrechts für in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen ist demzufolge nicht mehr gegeben, ebenso wie die Möglichkeit einer auf den in Deutschland belegenen Grundbesitz beschränkten güterrechtlichen Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB a.F. bei Grundstückserwerben durch Ausländer mit ungeklärtem Güterstand nicht mehr existiert.
Die EuErbVO unterstellt dabei Erbverträge, die in Art. 3 Abs. 1 lit. b EuErbVO definiert sind als eine "Vereinbarung, die … mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht", nicht dem allgemeinen Erbstatut, sondern unterwirft sie in Art. 25 EuErbVO einer Sonderanknüpfung. Die Vorschrift des Art. 25 EuErbVO betrifft hierbei nach deren Wortlaut die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit (vgl. Art. 26 EuErbVO) und die Bindungswirkung des Erbvertrags. Dabei unterscheidet § 25 EuErbVO zwischen Erbverträgen, die nur den Nachlass einer einzigen Person betreffen (Art. 25 Abs. 1 EuErbVO), und Erbverträgen, die – wie dies bei Erbverträgen üblich ist – den Nachlass mehrerer Personen betreffen (Art. 25 Abs. 2 EuErbVO).
Betrifft der Erbvertrag den Nachlass einer einzigen Person, ist das Recht maßgeblich, das anzuwenden wäre, wenn diese im Zeitpunkt des Erbvertragsschlusses gestorben wäre (sog. hypothetisches Erbstatut). Betrifft der Erbvertrag hingegen den Nachlass mehrerer Personen, so ist der Erbvertrag zulässig, wenn er nach jedem der zur Zeit des Vertragsschlusses hypothetisch anwendbaren Erbrechte der Personen, deren Nachlass betroffen ist, zulässig wäre. Maßgeblich ist demzufolge vom Grundsatz her der gegenwärtige gewöhnliche Aufenthalt der betroffenen Erblasser i.S.v. Art. 21 EuErbVO. Haben daher die den Erbvertrag abschließenden Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland und gelangt demzufolge deutsches Recht zur Anwendung, stellen sich für den nach deutschem Recht zulässigen Erbvertrag keine Probleme, die mit der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit und der Bindungswirkung des Erbvertrags in Zusammenhang stehen. Ist der Erbvertrag nach dem hypothetischen Erbstatut aller beteiligter Erblasser zulässig, beurteilen sich materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen des Erbvertrags nach der Rechtsordnung, zu der der Erbvertrag die engste Bindung hat (Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 EuErbVO). Will aber z.B. ein Ehepaar, bei dem der Ehemann Deutscher und die Ehefrau Französin ist und das in Frankreich lebt, oder auch ein rein deutsches Ehepaar, das in Frankreich lebt, einen Erbvertrag bei einem deutschen Notar schließen, dann hängt die Zulässigkeit des Erbvertrags vom französischen Recht ab, das bekanntermaßen Erbverträge grundsätzlich als unzulässig ansieht. In diesen Fällen hilft die Regelung des Art. 25 Abs. 3 EuErbVO, wonach die Beteiligten für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkung des Erbvertrags das Recht wählen können, das eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, hätte wählen können (sog. kleine Rechtswahl in Abgrenzung zur großen Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO, die die Wahl des gesamten, für den zu regelnden Erbfall anzuwendenden Erbrechts betrifft). Damit können Beteiligte eines Erbvertrags das Recht der Staatsangehörigkeit eines Beteiligten wählen. In dem einen der beiden vorbezeichneten Beispielsfällen kann etwa das deutsch-französische Ehepaar diese Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO treffen, weil im Beispielsfall der Ehemann die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der Ehemann mit deutscher Staatsangehörigkeit kann zudem die große Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO treffen. Im Beispielsfall des Ehepaars mit jeweils deutscher Staatsangehörigkeit können dort beide Ehepartner die große Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO treffen, die die kleine Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO mit abdeckt.
Rz. 54
Muster 24.7: Erb- und Ehevertrag – Große Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO durch den Ehemann...