Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
I. Allgemeines
Rz. 55
Der Erbvertrag hat, soweit Bindung besteht, gemäß § 2289 BGB eine Beschränkung der Testierfreiheit des Erblassers zur Folge. § 2289 BGB hat insofern eine zentrale Bedeutung im Recht des Erbvertrags. Nach dieser Vorschrift hat die Errichtung eines Erbvertrags im Verhältnis zu anderen Verfügungen von Todes wegen die nachfolgend beschriebenen Wirkungen.
II. Verfügungen des Erblassers von Todes wegen, die vor dem Erbvertrag errichtet wurden
Rz. 56
Ein bestehendes Testament wird durch den später abgeschlossenen Erbvertrag aufgehoben, soweit dadurch das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 1 BGB (Aufhebungswirkung).
Rz. 57
Ein Erbvertrag, der zwischen denselben Personen geschlossen worden war, wird unwirksam, soweit er dem zweiten widerspricht, es gilt der letzte. Damit wird im zweiten Erbvertrag eine ganze oder teilweise einverständliche Vertragsaufhebung nach § 2290 BGB gesehen. Soweit der Vertrag mit einem anderen Vertragspartner geschlossen wurde siehe Rdn 58 ff.
Wegen dieser weitreichenden Rechtswirkung eines Erbvertrags muss vor dessen Beurkundung sehr sorgfältig recherchiert werden, ob der Erblasser bereits einen Erbvertrag oder ein Testament errichtet hat.
III. Verfügungen des Erblassers von Todes wegen, die nach dem Erbvertrag errichtet wurden
Rz. 58
Sowohl ein späteres Testament des Erblassers als auch ein späterer Erbvertrag des Erblassers sind insoweit absolut unwirksam, als die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten im Zeitpunkt des Erbfalls beeinträchtigt wird, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB.
IV. Begriff der Beeinträchtigung
Rz. 59
Geschützt wird das Recht des vertragsmäßig Bedachten. Würde die anderweitige Verfügung von Todes wegen diese Rechtsstellung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen, so liegt eine Beeinträchtigung vor. Ob eine nur wirtschaftliche Beeinträchtigung ausreicht, ist umstritten. Gegen die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte hat sich der BGH ausgesprochen. Danach kommt es ausschließlich auf die Beeinträchtigung in rechtlicher Hinsicht an. Beispielsweise wenn der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrags eine Testamentsvollstreckung anordnet. Damit würde die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten beschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich der einzelnen Nachlassgegenstände, §§ 2205, 2211 BGB. Für die Frage, ob die bloße Auswechslung des Testamentsvollstreckers bereits eine Beeinträchtigung darstellt, hat der BGH entschieden, dass es insoweit auf den Einzelfall unter Berücksichtigung insbesondere des Vertragsinhalts ankomme.
V. Zustimmung des vertraglich Bedachten
Rz. 60
Die Zustimmung des vertraglich Eingesetzten zu einer späteren Verfügung von Todes wegen gibt dem Erblasser seine Testierfreiheit wieder zurück. Die Zustimmung erfolgt im Rahmen eines Aufhebungsvertrags gemäß § 2290 BGB, für den dieselbe Form gilt wie beim Erbvertrag; bei Ehegatten oder Lebenspartnern genügt die Form des gemeinschaftlichen Testaments (§ 2292 BGB).
Rz. 61
Für ein vertragsmäßig angeordnetes Vermächtnis oder eine vertragsmäßig angeordnete Auflage oder Rechtswahl, nicht aber für eine vertragsmäßige Erbeinsetzung, genügt für die Aufhebung durch den Erblasser ein Testament, das der vorherigen oder nachträglichen Zustimmung in notarieller Form bedarf (§ 2291 Abs. 2 BGB); vgl. hierzu das Muster Rdn 64.
Rz. 62
Allerdings könnte demjenigen, der formlos zugestimmt hat und der sich auf das fehlende Formerfordernis beruft, ein Verstoß gegen Treu und Glauben entgegengehalten werden ("venire contra factum proprium").
VI. Zustimmung des Vermächtnisnehmers zu anderweitigen Verfügungen
1. Formerfordernis: Notarielle Beurkundung
Rz. 63
Der vertragsmäßig bedachte Vermächtnisnehmer kann – wie in Rdn 61 ausgeführt – gegenüber dem Erblasser seine Zustimmung dazu geben, dass der Erblasser ein abweichendes Testament errichten kann, § 2291 BGB. Die Zustimmungserklärung bedarf der notariellen Beurkundung, § 2291 Abs. 2 BGB, weil darin eine (zumindest teilweise) Aufhebung des Erbvertrags liegt. Mit Zugang der Zustimmung an den Erblasser wird sie unwiderruflich, § 2291 Abs. 2 BGB. Die Zustimmung kann entweder vor der Errichtung des Aufhebungstestaments erklärt werden oder danach. Sie kann auch schon im Erbvertrag selbst enthalten sein. Allerdings bestehen in einem solchen Fall Zweifel, ob dann überhaupt eine vertragsmäßige Vermächtnisanordnung vorliegt.
2. Muster
Rz. 64
Muster 24.8: Zustimmung des Vermächtnisnehmers zu Aufhebungstestament
Muster 24.8: Zustimmung des Vermächtnisnehmers zu Aufhebungstestament
_________________________ (Notarielle Urkundenformalien)
Es erscheint Herr _________________________ – persönlich bekannt und zweifelsfrei geschäftsfähig –.
Er gibt folgende Zustimmungserklärung ab:
In der Urkunde des Notars _________________________ in _________________________ – Urkunden-Rolle Nr. _________________________ – habe ich mit Herrn _________________________ einen Erbvertrag geschlossen. Nach Ziff. _________________________ hat...