Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
I. Allgemeines
Rz. 74
Die durch vertragsmäßige Verfügung erzeugte Bindungswirkung muss nicht in jedem Fall endgültig sein. Das Gesetz sieht drei Möglichkeiten vor, wie der Erblasser die eingetretene Bindung beseitigen und er seine durch den Erbvertrag eingeschränkte Testierfreiheit wiedererlangen kann:
Allerdings kann die Beseitigung der Bindung nicht erfolgen, ohne dem Vertragspartner davon Kenntnis zu geben.
Rz. 75
Fraglich ist, ob der Erblasser sich eine weitere Möglichkeit der Lösung von der Bindung durch einen sog. Änderungsvorbehalt eröffnen kann.
Mancher Erblasser wünscht sich, einen Erbvertrag durch einfaches Testament wieder ändern zu können. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung hierzu fehlt. In Literatur und Rechtsprechung besteht Einigkeit darüber, dass ein solcher Änderungsvorbehalt zulässig ist; seine Grenzen sind jedoch umstritten. Unklar ist auch, wie sich ein Änderungsvorbehalt auf die Vertragsmäßigkeit erbvertraglich getroffener Verfügungen auswirkt.
II. Zulässigkeit des Änderungsvorbehalts
Rz. 76
In Rechtsprechung und Literatur bestehen keine Zweifel an der grundsätzlichen Zulässigkeit eines Änderungsvorbehalts. Begründet wird diese Zulässigkeit mit der Vertragsfreiheit, die auch für den Erbvertrag gelte.
Der BGH führt in seinem Urt. v. 2.12.1981 u.a. aus:
Zitat
"Vielmehr kann dem Erblasser in dem Erbvertrag das Recht vorbehalten werden, die Rechte vertragsmäßig Bedachter in gewissem Umfang durch nachträgliche letztwillige Verfügungen zu beeinträchtigen und sie etwa mit bestimmten Vermächtnissen (zusätzlich) zu beschweren oder mit zu beschweren …"
III. Grenzen des Änderungsvorbehalts
Rz. 77
Ungeklärt ist die Frage der Reichweite eines solchen Änderungsvorbehalts und die Frage, welchen Inhalt er haben kann, insbesondere, ob jegliche Änderung einer vertragsmäßig getroffenen Verfügung zulässig ist. Dabei ist entscheidend, dass der Erbvertrag als besondere Einrichtung des Vertragsrechts zumindest einer (!) vertraglich bindenden Regelung bedarf, weil andernfalls das essentielle Charakteristikum eines Vertrags, nämlich seine Bindung, fehlen würde. Deshalb wird ein Änderungsvorbehalt nur dann für zulässig gehalten, wenn noch eine gewisse vertragliche Bindung des Erblassers bestehen bleibt. Dies bedeutet wiederum, dass ein Änderungsvorbehalt nicht so weit gehen kann, dass der Erblasser dadurch seine gesamte Testierfreiheit, derer er sich durch die in dem Erbvertrag eingegangene Bindung begeben hat, wiedererlangt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Änderung nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich oder inhaltlich beschränkt ist, da auch im letzteren Fall der Erblasser in seiner Gestaltungsfreiheit beschränkt bleibt. Eine auf Seiten des Vertragspartners erlangte vertragliche Position muss diesem erhalten bleiben, andernfalls entfiele das vertragstypische Merkmal des Erbvertrags schlechthin.
Rz. 78
Die in einem Teil der Literatur vertretene Auffassung, der Änderungsvorbehalt könne auch als sog. Totalvorbehalt vereinbart werden, ist demgegenüber kritisch zu betrachten. Danach könnten nämlich sämtliche vertragsmäßigen Verfügungen durch abweichende letztwillige Verfügung beseitigt werden. Weiler vertritt deshalb unseres Erachtens zu Recht die Auffassung, ein Totalvorbehalt könne nicht als zulässig erachtet werden, weil der Erblasser im Ergebnis in seiner Testierfreiheit überhaupt nicht eingeschränkt wäre, wenn es ihm gestattet wäre, ohne weiteres von allen vertragsmäßigen Verfügungen durch einseitige Verfügung von Todes wegen wieder abzuweichen. Damit entfiele jegliche Bindung für den Erblasser und damit würde sich der Erbvertrag nicht mehr vom Testament unterscheiden. Die Konsequenz wäre, dass der Vertragspartner keinerlei irgendwie gefestigte Rechtsposition erhielte. Vielmehr wäre die entsprechende im Erbvertrag enthaltene Verfügung als einseitige Verfügung nach § 2299 BGB einzuordnen.
Rz. 79
Dem Einwand, der Erblasser könne sich auch ein vollständiges Rücktrittsrecht vom Erbvertrag vorbehalten und damit die Bindungswirkung ebenfalls einseitig beseitigen, ist Folgendes entgegenzuhalten: Die Rücktrittsvorschriften sind streng formalisiert; ohne Kenntnis des Vertragspartners wird ein Rücktritt nicht wirksam, während beim Änderungsvorbehalt eine Lösung vom Erbvertrag auch hinter dem Rücken des Vertragspartners möglich wäre. Würde man für die Ausübung eines Änderungsvorbehalts die Einhaltung der Rücktrittsformen für analog anwendbar halten, wie es ein Teil der Literatur vorsieht, so stünde der Änderungsvorbehalt dem Rücktrittsvorbehalt gleich; ein praktisches Erfordernis für ihn wäre damit nicht erkennbar.
Rz. 80
Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Bestimmung der Grenzen eines Änderungsvorbe...