Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
I. Rücktrittsrecht des Vertragspartners
Rz. 117
Einen Rücktritt des Vertragspartners des Erblassers sieht das Gesetz nicht vor; ihm steht also kein gesetzliches Rücktrittsrecht zu. Ein solches kann ihm nach fast einhelliger Meinung auch nicht vertraglich eingeräumt werden; ein vertraglicher Rücktrittsvorbehalt wäre unzulässig und unwirksam. Für den Vertragspartner besteht aber auch gar keine Notwendigkeit eines Rücktrittsrechts, da er in dem Erbvertrag keine Verpflichtungen übernimmt und nicht gehindert ist, nach dem Erbfall ihm gemachte Zuwendungen auszuschlagen.
Rz. 118
Hat der Vertragspartner jedoch im Zusammenhang mit dem Erbvertrag schuldrechtliche Verpflichtungen übernommen, etwa als Gegenleistung für vertragsmäßige Zuwendungen des Erblassers, so kann er sich den Rücktritt von diesen schuldrechtlichen Verpflichtungen vorbehalten; für diesen Rücktritt gelten dann die §§ 346 ff. BGB, wobei jedoch zu beachten ist, dass ein solcher Rücktritt vom schuldrechtlichen Vertrag die erbrechtlichen Verfügungen des Erblassers nicht ohne weiteres unwirksam macht, sofern nicht ein Bedingungszusammenhang zwischen den erbrechtlichen Verfügungen und den schuldrechtlichen Verpflichtungen besteht. Der Rücktritt des Vertragspartners kann jedoch ein Rücktrittsrecht, insbesondere nach § 2295 BGB, oder Anfechtungsrecht des Erblassers auslösen.
II. Rücktrittsrecht des Erblassers
Rz. 119
Dem Erblasser kann entweder ein vertraglich vereinbartes vollständiges oder teilweises Rücktrittsrecht (§ 2293 BGB) oder ein durch Gesetz gewährtes zustehen (§§ 2294 ff. BGB). In diesem Zusammenhang sollte anlässlich der Errichtung eines Erbvertrags unter Ehegatten oder Lebenspartnern stets erörtert werden, ob die Beteiligten sich analog zur Regelung des nicht abdingbaren gesetzlichen Rücktrittsrechts bei Ehegatten und Lebenspartnern in einem gemeinschaftlichen Testament für ihren Erbvertrag ein entsprechendes vertragliches Rücktrittsrecht vorbehalten wollen. Soweit andere Personen als Ehegatten und/oder Lebenspartner einen Erbvertrag schließen, insbesondere Partner nichtehelicher Lebensgemeinschaften, sollte notwendigerweise das Rücktrittsrecht für beide Vertragsteile stets vorbehalten werden, weil ansonsten insbesondere in Trennungsfällen keine Möglichkeit mehr einer einseitigen Aufhebung durch einen der Erblasser besteht; die Regelungen, wonach gewisse Trennungskonstellationen die Unwirksamkeit eines abgeschlossenen Erbvertrags bewirken (in Scheidungsfällen die §§ 2279, 2077 BGB oder bei Aufhebung einer Lebenspartnerschaft der § 10 Abs. 5 LPartG), greifen in diesen Fällen gerade nicht, auch nicht in analoger Anwendung; die Annahme eines Rücktrittsrechts in ergänzender Auslegung dürfte – mangels Andeutung – nicht in Betracht kommen.
1. Vorbehaltenes Rücktrittsrecht
Rz. 120
Das im Erbvertrag vorbehaltene Rücktrittsrecht bietet dem Erblasser die Möglichkeit, durch einseitige Erklärung vom Vertrag loszukommen. Ob und in welchem Umfang die Rücktrittsmöglichkeit bestehen soll, unterliegt dem Willen der Vertragsparteien und ist notfalls durch Auslegung zu ermitteln, wobei auch auf den Empfängerhorizont abzustellen ist.
Praxishinweis
Der Umfang des vorbehaltenen Rücktrittsrechts ist präzise zu formulieren.
2. Gesetzliches Rücktrittsrecht
a) Rücktritt bei Verfehlungen des Bedachten (§ 2294 BGB)
Rz. 121
Macht sich der Bedachte einer Verfehlung schuldig, die den Erblasser berechtigt, ihm den Pflichtteil zu entziehen, oder – falls der Bedachte nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört – ihn berechtigen würde, einem Abkömmling den Pflichtteil zu entziehen, so kann der Erblasser vom Erbvertrag zurücktreten (§ 2294 BGB). Die Pflichtteilsentziehungsgründe sind in § 2333 BGB abschließend aufgezählt (vgl. § 13 Rdn 11 ff.).
Rz. 122
Der frühere Entziehungsgrund des "ehrlosen und unsittlichen Lebenswandels" wurde in der Erbrechtsreform ersetzt durch Entziehung bei rechtskräftiger Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung. Zu beachten ist, dass die Wendung in § 2294 BGB, wonach sich der Bedachte einer Verfehlung "schuldig" gemacht haben muss, nicht im streng strafrechtlichen technischen Sinn zu verstehen ist; Schuldfähigkeit des Bedachten i.S.v. § 20 StGB ist nicht erforderlich.
Rz. 123
Nur wenn die Verfehlung nach Vertragserrichtung begangen wurde, entsteht das Rücktrittsrecht. War sie bereits vorher begangen worden, hatte der Erblasser aber keine Kenntnis davon, so kann ein Anfechtungsrecht in Betracht kommen. Die Beweislast für das Vorliegen der Rücktrittsvoraussetzungen trägt der Erblasser.
b) Rücktritt bei Wegfall der Gegenverpflichtung (§ 2295 BGB)
Rz. 124
§ 2295 BGB gewährt dem Erblasser ein Rücktrittsrecht, wenn die Verpflichtung des Vertragspartners auf wiederkehrende Leistungen gegenüber dem Erblasser vor dem Tod des Erblassers aufgehoben wird. Diese Vorschrift zielt auf entgeltliche Erbverträge ab. Seine ber...