Dr. iur. Patrick Lenz, Dr. iur. Klaus Koch
1. Verfügungen unter Lebenden und erbvertragliche Bindung
Rz. 42
Nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts (§§ 145 ff. BGB) werden die vertraglich vereinbarten Anordnungen mit Vertragsabschluss bindend, d.h. grundsätzlich einseitig nicht widerruflich. Die Wirkungen des Erbvertrags als einer Verfügung von Todes wegen treten jedoch erst mit dem Erbfall ein.
a) Rechtsstellung des Bedachten
Rz. 43
Der vertragsmäßig Bedachte, der nicht Vertragspartner ist, erwirbt mit dem Abschluss des Erbvertrags – trotz eingetretener Bindung zwischen den Vertragsparteien – weder einen künftigen Anspruch noch eine Anwartschaft, sondern nur eine "tatsächliche Aussicht" auf den Erwerb, die noch keinen Rechtsboden für die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch abgeben kann. Der Erbvertrag ist kein Vertrag zugunsten Dritter i.S.v. § 328 BGB.
Rz. 44
Ist der vertragsmäßig Bedachte zugleich Vertragspartner und besteht kein Rücktrittsrecht, so spricht man von einer Anwartschaft, nicht von einem Anwartschaftsrecht, deren Bestehen zwar Gegenstand einer Feststellungsklage sein kann, die aber im Grundbuch ebenfalls nicht vormerkbar ist.
Weder Aussicht noch Anwartschaft sind durch § 823 Abs. 1 BGB deliktsrechtlich geschützt und gewähren auch keinen Anspruch auf einstweilige Verfügung gegen Beeinträchtigungen durch den Erblasser. Etwas anderes gilt nur dann, wenn zusätzlich zum Erbvertrag ein Verfügungsunterlassungsvertrag geschlossen wurde (vgl. Rdn 46 ff.).
b) Rechtsstellung des Erblassers
aa) Grundsatz
Rz. 45
Der Erblasser hat nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 2286 BGB grundsätzlich weiterhin die Freiheit, unter Lebenden über sein Vermögen oder über den (im Wege des Vermächtnisses) zugewandten Gegenstand zu verfügen. Dass der Zuwendungsempfänger dadurch betroffen wird, nimmt das Gesetz in Kauf (vgl. aber Rdn 49).
bb) Zusätzlicher Verfügungsunterlassungsvertrag
Rz. 46
Der Erblasser kann sich jedoch in einem schuldrechtlichen Vertrag zusätzlich verpflichten, über den Gegenstand der erbvertraglichen Anordnung nicht zu verfügen (§ 137 S. 2 BGB). Dieser Vertrag bedarf, auch dann, wenn er sich auf Grundstücke bezieht, keiner Form und kann deshalb formlos, auch stillschweigend, geschlossen werden; allerdings sind an seinen Nachweis dann strenge Anforderungen zu stellen. Er ist Rechtsgeschäft unter Lebenden. Ein solcher zusätzlicher Verfügungsunterlassungsvertrag wirkt aber nur schuldrechtlich; Verfügungen, die dagegen verstoßen, sind wirksam. Allerdings macht sich der Erblasser schadenersatzpflichtig mit der Folge, dass für diese Nachlassverbindlichkeit die Erben haften, §§ 1967, 2058 BGB.
Rz. 47
Der Unterlassungsanspruch auf Nichtvornahme einer Verfügung ist im Grundbuch nicht durch Vormerkung sicherbar, wohl aber kann er gesichert werden durch ein im Wege der einstweiligen Verfügung erreichbares gerichtliches Verfügungsverbot nach § 938 Abs. 2 ZPO.
Rz. 48
In der Praxis ist es jedoch üblich, im Rahmen eines Verfügungsunterlassungsvertrags den Unterlassungsanspruch durch einen bedingten Übereignungsanspruch zu sichern, der seinerseits durch eine Auflassungsvormerkung gesichert werden kann. Eine solche Vereinbarung kann u.U. als "kaufähnlicher" Vertrag einen Vorkaufsfall im Sinne des Rechts über den Vorkauf begründen.
2. Beeinträchtigende Schenkungen
Rz. 49
Gegen beeinträchtigende Schenkungen des Erblassers wird der durch den Erbvertrag eingesetzte Erbe durch § 2287 BGB geschützt. Allerdings sind die vorgenommenen Schenkungen wirksam; sie geben dem benachteiligten Erben lediglich nach dem Tode des Erblassers einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenkes nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung. Damit besteht für den vertragsmäßig Bedachten die Gefahr, dass die Bereicherung zwischenzeitlich weggefallen sein könnte, § 818 Abs. 3 BGB.
Der vertragsmäßig geschützte Vermächtnisnehmer hat dagegen nach Eintritt des Erbfalls seine Rechte gemäß § 2288 BGB gegen die Erben bzw. den Beschenkten zu verfolgen.
Verfügung i.S.v. §§ 2287, 2288 BGB kann auch eine Ausstattung (§ 1624 BGB) sein. Bei Weiterveräußerung eines Grundstücks durch den Zuwendungsempfänger ist dieser gem. §§ 2287 Abs. 1, 2288 Abs. 2 S. 2, 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet.
Vgl. wegen der Ansprüche des Erbvertragserben gegen den Beschenkten und wegen evtl. Ansprüche des Erbvertragsvermächtnisnehmers Krug/Rudolf/Kroiß/Bittler, Anwaltformulare Erbrecht, 6. Auflage 2019, § 21.