Rz. 54
In der Regel decken sämtliche auf dem Markt übliche D&O-Versicherungskonzepte die Inanspruchnahme der versicherten Person auf der Grundlage der "gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen". Damit wird auf die allgemeinen Regelungen in Ziff. 1.1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB, Stand: Februar 2016) verwiesen und an den Tatbestand der Ziff. 1.1 AHB angeknüpft und an das dortige Schadenereignis, das unabhängig vom Willen der Parteien Rechtsfolgen knüpft. Dies hat Konsequenzen:
a) Privatrechtlichen Inhalts
Rz. 55
Die in D&O-Verträgen teilweise in Anlehnung an frühere Bedingungsmodelle des GDV (bis zur Abänderung in den Verbandsempfehlungen im Jahre 2013) vorgesehenen Beschränkungen auf die gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen "privatrechtlichen Inhalts", schlossen öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen von der Deckung aus (vgl. Ziff. 1.1 des Modells aus Mai 2011). Wenn diese Passage sich in D&O-Versicherungsbedingungen nicht mehr findet, was in zahlreichen Versicherungsbedingungen heute der Fall ist, könnte man die Auffassung vertreten, dass dann eben auch öffentlich-rechtliche Normen und Anspruchsgrundlagen – z.B. die für Organmitglieder relevante Regelung des § 69 AO – vom Deckungsumfang erfasst werden. Wenn aber als "Auffangnorm" auch Ziff. 1.1 AHB eingreifen würde, die ihrerseits nach diesem Modell auf die "gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts" abstellt, können sich im Einzelfall Unklarheiten ergeben, die es bei der Vertragsgestaltung zwingend zu vermeiden gilt. Verweise auf die AHB finden sich in D&O-Versicherungen daher i.d.R. nicht.
Zu den im Einzelnen erfassten Ansprüchen (u.a. Schadensersatz aus Vertrag, deliktische und quasi deliktische Ansprüche, Verschulden bei Vertragsschluss, § 311 BGB etc.) vgl. die Ausführungen zur Allgemeinen Haftpflichtversicherung in diesem Buch (siehe § 9 Rdn 1 ff.).
b) Öffentlich-rechtlichen Inhalts
Rz. 56
Sofern auch öffentlich-rechtliche Regelungen vom D&O-Vertrag – und dies ist heute in der Praxis Standard – erfasst werden, gilt dies insbesondere für die steuerrechtliche Haftung der Geschäftsleiter nach den § 69 S. 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO. Öffentlich-rechtliche Vorschriften, auf deren Grundlage Bußgelder verhängt werden, werden trotzdem – schon durch die Vermögensschadendefinition und/aber auch über den Ausschluss – demgegenüber nicht zwingend erfasst und – auch im aktuellen GDV-Modell aus Mai 2020 – ausgeschlossen (vgl. Ziff. A-7.10 AVB-D&O). Bedeutung erhält die Erweiterung auf öffentlich-rechtliche Regelungen vor allem bei etwaiger Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile (§ 266a StGB); vgl. dazu dann aber in Einzelfällen auch den Vorsatzausschluss.
c) Beispiele für gedeckte Haftpflichtbestimmungen
Rz. 57
Hinsichtlich der Haftungsrichtung unterscheidet man – schon gewohnheitsmäßig – die Verantwortlichkeiten nach sog. Innenhaftungsansprüchen bzw. Außenhaftungsansprüchen. Im Einzelnen:
Rz. 58
aa) Außenhaftung
Rz. 59
Was die Außenhaftungsansprüche angeht, die gesellschaftsfremde Dritte geltend machen, sind diese nach Ziff. A-1 Abs. 1 AVB-D&O gedeckt. Es handelt sich – dies folgt aus § 100 VVG – um das typischerweise abgesicherte Risiko in der Haftpflichtversicherung. Betroffen sind also haftungsrechtliche Ansprüche:
Aber dazu gehören auch (vgl. Schaubild oben, siehe Rdn 58):
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Ansprüche der Haftung von Gesellschaftsorganen gegenüber Gesellschaftern (vgl. § 117 Abs. 1, 2 AktG); |
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Haftung des GmbH-Geschäftsführers den Gesellschaftern gegenüber auf Auskunftserteilung, zur Rechnungslegung und zur Verhinderung von Zahlungen entgegen § 30 GmbHG und nach § 31 Abs. 6 GmbHG den Gesellschaftern gegenüber zum Schadensersatz über § 31 Abs. 3 GmbHG; |
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und einige andere deliktische Regelungen ("Mitgliedstellung" als sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB). |