Rz. 124
Nach Ziff. A-6.2 Abs. 2 S. 2 AVB-D&O führt der Versicherer den Rechtsstreit im Namen der versicherten Personen, wenn es in einem Versicherungsfall zu einem Rechtsstreit über Schadensersatzansprüche gegen versicherte Personen kommt. Der Versicherer ist nach Ziff. A-6.2 Abs. 1 AVB-D&O auch außergerichtlich bevollmächtigt, alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder der Abwehr der Schadensersatzansprüche zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen der versicherten Personen abzugeben. Unklar bleibt allerdings, was passiert, wenn die versicherte Person die zur Prozessführung erforderliche Vollmacht – trotz Ziff. A-6.2 AVB-D&O – nicht erteilt (was allerdings in der Praxis nur selten vorkommt und daher als Ausnahmefall zu betrachten ist).
Beispiel
Wie, wenn der (ehemalige) Vorstand sich weigert, eine Prozessvollmacht zu erteilen, vielmehr verdeutlicht, er wolle seinen Vertrauensanwalt selbst auswählen und den vom Versicherer eingeschalteten – "gegen den er nichts habe" – nicht selbst bevollmächtigen.
Rz. 125
Je nach Formulierung der D&O-Bedingungen ist die Führung des Rechtsstreits nicht selten mehr oder weniger weitgehend geregelt. Was ist aber, wenn im Termin vor dem Landgericht, die versicherte Person mit dem von ihr selbst oder persönlich eingeschalteten Anwalt erscheint, und eine prozessuale Erklärung abgibt, und/oder ferner dem Versicherungsanwalt keine Vollmacht gewährt. Die Lösung dürfte sein, dass auf die erwähnenswerten Regelungen zu den AHB zurückgegriffen werden kann und muss, falls die D&O-Bedingungen nicht eindeutig sind. Ungeachtet der Thematik, dass die D&O-Bedingungen in der Regel nicht auf die AHB verweisen und diese daher nicht ohne Weiteres in das Vertragskonstrukt einbezogen werden, dürften die Konsequenzen – zwischen AHB und D&O – dennoch nicht anders gezogen werden. Soweit also in den D&O-Bedingungen auf konkrete AHB-Regelungen zur Prozessführungsbefugnis des Versicherers Bezug genommen wird, muss die versicherte Person – im Ausgangsbeispiel – dem vom Versicherer ausgewählten Anwalt die Vollmacht erteilen. Ansonsten liefe sie Gefahr, den Deckungsschutz bisweilen sogar gänzlich zu verlieren, der Versicherungsnehmer sogar die Entschädigungssumme. D&O-Versicherer sollten daher klare Regelungen dahingehend treffen, dass die versicherte Person dem Rechtsanwalt Vollmacht mit zu definierenden Folgewirkungen erteilen muss.
Rz. 126
Die Bedingungswerke sind – was die Wahl des Rechtsanwalts angeht – unterschiedlich ausgestaltet. Zum Teil – und diese Bedingungen scheinen sich mehr und mehr durchzusetzen – wird den versicherten Personen – teils vorbehaltlich eines Widerspruchsrechts des Versicherers – die Wahl des Anwalts überlassen, was – auf den ersten Blick – einen erheblichen Vorteil für die versicherten Personen bedeuten könnte. Es kann sich aber auch herausstellen, dass ein vom Versicherer benannter Experte der "Bessere" gewesen wäre.
Rz. 127
Nicht selten werden von Versicherern in komplexen Fällen sog. Coverage Counsel (oder auch "Monitoring Counsel" genannt) eingeschaltet. Diese sind – zur Interessenwahrung des Versicherers – nur für diesen tätig und koordinieren – immer aus dem Blickwinkel des Versicherers – die Themen mit den Anwälten der versicherten Personen und/oder auch mit den auf Seiten der Versicherungsnehmerin selbst tätigen Juristen und/oder den dazwischen geschalteten Vermittlern (Maklern). In der Funktion wickeln sie den Schriftverkehr ab, führen zahlreiche Gespräche zur Koordination mit den versicherten Personen und/oder deren Anwälten und geben ggf. Hilfen bei der Anspruchsabwehr. Dadurch wird die Qualität optimiert und die Kosten werden in gewisser Weise mit beeinflusst, was allen Beteiligten zugute kommt. Das Modell des Monitoring Counsel ist in den USA bekannt, hat sich aber bei führenden Versicherern auch in Deutschland inzwischen wohl sehr bewährt.