Rz. 128
Nach Ziff. A-6.6 AVB-D&O gelten – unabhängig von den einzelnen Versicherungsjahren – mehrere während der Wirksamkeit des Versicherungsvertrags geltend gemachte Ansprüche eines oder mehrerer Anspruchsteller aufgrund einer Pflichtverletzung, welche durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurde, oder aufgrund mehrerer Pflichtverletzungen, welche durch eine oder mehrere versicherte Personen begangen wurden, sofern diese Pflichtverletzungen demselben Sachverhalt zuzuordnen sind und miteinander in rechtlichem, wirtschaftlichem oder zeitlichem Zusammenhang stehen, als ein Versicherungsfall (Ziff. A-6.6 Abs. 1 AVB-D&O). Bei dieser im Modell vorgesehenen sog. Serienschadenklausel handelt es sich um eine Regelung, die sich auch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB) findet (dort Ziff. 6.3 AHB, vgl. auch Ziff. 8.3 des Produkthaftpflichtmodells). Es geht um die Abgrenzungsfrage, wann ein Versicherungsfall vorliegt, bzw. wann mehrere Versicherungsfälle gegeben sind. Regelmäßig begrenzen Versicherer ihre Leistungspflicht für alle Versicherungsfälle eines Jahres auf die vereinbarte und zitierte Versicherungssumme. Der Versicherungsfall gilt nach Ziff. 4.5 Abs. 2 unabhängig von dem tatsächlichen Zeitpunkt der Geltendmachung als in dem Zeitpunkt eingetreten, in dem der erste Haftpflichtanspruch geltend gemacht wurde.
Rz. 129
Soweit feststellbar, sind Wirksamkeitsfragen – wie sie etwa zur Architektenhaftpflichtversicherung bzw. zur AHB-Deckung diskutiert werden – bisher zu Ziff. A-6.6 Abs. 1 AVB-D&O von der Rechtsprechung im D&O Bereich, aber auch in der versicherungsrechtlichen Literatur – soweit feststellbar – trotz teilweiser Formulierungsanleihen in der Architekten-Haftpflichtversicherung – zunächst nicht aufgeworfen worden. Es wird die These aufgestellt, wenn die Versicherungsbedingungen mehrfaches, auf gleicher oder gleichartiger Fehlerquelle bzw. auf ähnlichen Fehlerquellen beruhendes Tun oder Unterlassen als einheitlichen Verstoß werten, könne dies nur für die Handlungen innerhalb eines Versicherungsjahres gelten, in dem der die Leistungspflicht auslösende Versicherungsfall eintrete; jede andere Interpretation würde die D&O-Versicherung entwerten; sollten "die D&O Bedingungen" nicht in dieser "einschränkenden" Auslegung interpretiert werden, wären sie unklar (§ 305c Abs. 2 BGB) und unzulässig.
Rz. 130
Es spricht jedoch eine Reihe von Gründen dafür, (jedenfalls bestimmte) Serienschadenklauseln in der D&O-Versicherung für wirksam zu halten. Die Rechtsprechung zur Architektenhaftpflichtversicherung und/oder zur AHB-Deckung kann nicht ohne Weiteres auf die D&O-Versicherung übertragen werden.
Rz. 131
Es versteht sich von selbst, dass die Verknüpfung von mehreren Versicherungsfällen zu einem einzigen Versicherungsfall, für den der Versicherer dann höchstens eine Jahresmaximierung – je nach konkreter Ausgestaltung der Klausel – zur Verfügung stellen muss, mit wechselseitigen Vor- und Nachteilen verbunden ist: Der Versicherer zahlt einmal den maximierten Betrag; andererseits wird aber auch der Selbstbehalt nur einmal geschuldet. Der Versicherer "speist" das Unternehmen – anders als dies Säcker formuliert – daher nicht (einfach) ab, nimmt – und dies zeigt die Vielfalt der auf dem D&O-Markt gängigen Serienschadenklauseln – vielmehr sehr sorgfältig eine Auswahl zu deckender Risiken vor und versucht im Rahmen einer Gesamtabwägung die D&O-Versicherung im konkreten Fall kalkulierbar und bezahlbar auszugestalten. Das Bedürfnis und die Notwendigkeit nach fiktiver Verklammerung mehrerer Versicherungsfälle dürfte inzwischen unstreitig sein.
Rz. 132
Zusammenfassend ist damit festzuhalten: Serienschadenklauseln können bisweilen unwirksam sein nach den Vorgaben der Rechtsprechung, sind es jedoch keineswegs immer. Ohne über die Serienschadenklausel in ihrer konkreten Ausgestaltung zu sprechen, ist die Diskussion über ihre Wirksamkeit auch und gerade in der D&O-Versicherung müßig.