Rz. 84
Versicherer versuchten dennoch – allerdings in unterschiedlicher Art und Weise – den Gefahren der "freundlichen Inanspruchnahme" bzw. der Innenhaftung – wenn sie denn überhaupt gedeckt wird – bereits auch durch Regelungen in deren Deckungskonzepten einschränkend entgegenzuwirken, wenngleich diese Versuche – wie noch zu zeigen sein wird – mehr und mehr abnehmen (siehe dazu Rdn 85). So hatten sich in den früheren Jahren der D&O-Versicherung verschiedene Wege entwickelt, von denen einige nachfolgend dargestellt werden sollen:
aa) Öffentlichkeits- und Gerichtsklauseln
Rz. 85
Um Manipulationen und etwaigen kollidierenden Interessen entgegenzuwirken, soll Deckungsschutz nur bestehen bei einer Anspruchsverfolgung durch die Hauptversammlung nach Maßgabe des § 147 AktG bzw. wenn die Gesellschafterversammlung diese initiiert. Entsprechend fand sich in Ziff. 1.3 des GDV-Modells bis Mai 2011 eine – wenngleich möglicherweise nicht gänzlich transparente – Klausel, die das Wort "nur" vermissen ließ (§§ 305c, 307a BGB, vgl. dazu anders noch Ziff. 1.3 AVB-AVG 1997). Obwohl das Interesse der Versicherungswirtschaft unzweifelhaft vorhanden ist, hat sich diese Einschränkung – wie sie sich in Ziff. 1.3 des GDV-Modells bis Mai 2011 widerspiegelte – in der Praxis bis heute – schon aufgrund des Wettbewerbsdrucks in der Branche – nicht durchsetzen können und eine entsprechende Einschränkung ist in den Musterbedingungen des GDV ab den Empfehlungen des Jahres 2013 auch nicht mehr enthalten. Mitverantwortlich hierfür ist auch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH, mit der eben der Aufsichtsrat bekanntlich angehalten wird, Schadensersatzansprüche gegen den Vorstand eigenverantwortlich geltend zu machen, ohne dass eine Hauptversammlungsentscheidung abgewartet werden muss. Ferner haben Gesellschaften ein großes Interesse an einer "geräuschlosen Bereinigung" etwaiger Haftungs-/Deckungsfragen.
Den Gefahren der sog. freundlichen Inanspruchnahme sollte ferner in den frühen Jahren der D&O-Versicherung durch sog. Öffentlichkeits-, aber auch durch sog. Gerichtsklauseln entgegen gewirkt werden. Es herrschte die Ansicht, dass versicherungsnehmende Unternehmen sich scheuen würden, (ehemalige) Vorstände dann in Anspruch zu nehmen, wenn die Inanspruchnahme mittels gerichtlicher Verfahren zu geschehen habe, die in der Öffentlichkeit geführt werden. Richtig daran war und ist, dass Unternehmen sich in der Tat sehr schwer tun, Ansprüche in der Öffentlichkeit, zum Teil begleitet von erheblichem Medienspektakel, zu verfolgen, schon weil dies erhebliche Reputationsverluste nach sich ziehen kann und ferner ganz erhebliche Imageschäden die Folge sein können. Erinnert sei an die Negativschlagzeilen in der Presse – seien diese berechtigt oder unberechtigt – etwa in den Großverfahren der Deutschen Bank, Siemens und/oder auch bei MAN. Einige Versicherer glaubten, durch (vertraglich vereinbarten) Zwang, als Versicherungsnehmer bei der Inanspruchnahme von versicherten Personen (Innenhaftung) in die Öffentlichkeit gehen zu müssen, würden einige Unternehmen von der Geltendmachung – jedenfalls von unberechtigten, unter Umständen aber auch von der Geltendmachung berechtigter Ansprüche (dann zu Unrecht) abgehalten.
Entsprechend sahen die D&O-Bedingungswerke – in unterschiedlichen Formulierungen – vor, dass Versicherungsschutz für Schadensersatzansprüche der Versicherungsnehmerinnen nur besteht, wenn dies durch ein gerichtliches Urteil festgestellt werde, oder aber – so auch der GDV – jedenfalls nur unter der Voraussetzung, dass die Ansprüche gerichtlich geltend gemacht würden (vgl. dazu Ziff. 1.3. der Modellbedingungen des GDV sogar noch bis 2011). Zu Recht wurden konkrete Klauselinhalte oder auch der Sinn einzelner Klauseln immer wieder in Frage gestellt.
In der Praxis wehrten sich die Unternehmen von Beginn der Existenz einschränkender Klauseln, derartige Regelungen zu akzeptieren, so dass man mit Fug und Recht behaupten kann, die Versicherer haben sich – und dies zeigt der heutige Markt – bei der Vereinbarung von einschränkenden Inhalten nicht durchsetzen können. Was die Geltendmachung von Ansprüchen angeht, hat sicher auch die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung einen nicht unwesentlichen Beitrag zur aktuellen Situation geleistet, nach der die Aufsichtsräte der Versicherungsnehmer bekanntlich ja grundsätzlich verpflichtet sind (vgl. Rdn 7), berechtigte Ansprüche geltend zu machen. Nichtsdestotrotz wird aus Sicht der Versicherer deutlicher denn je, dass vielfach versucht wird, vor einer "formellen Inanspruchnahme" der versicherten Person (siehe oben Rdn 69 ff.) möglichst schon "vorbereitende" (lediglich vorbereitende wegen § 93 Abs. 4 S. 3 AktG: 3-Jahresfrist nach der Entstehung des Anspruchs und Widerspruch durch Minderheit) Einigungen – jenseits aller Öffentlichkeit, zum Teil auch sogar an den...